Mittwoch, 25. Dezember 2019

Praha zum Saisonstart

Spiele: Dukla Praha – Viktoria Plzen, Sparta Praha – SFC Opava, Žižkov Praha – MFK Chrudim

Eine Woche vor dem heimischen Saisonstart sollte/musste es ins Ausland gehen. Wohin war dabei egal, Polen oder Tschechien kamen eigentlich nur in Frage. Beides ließ sich eigentlich ganz brauchbar und ohne große Umwege verbinden, jedoch befand sich mein Anspruch und noch viel mehr meine (Organisations-)Motivation in der Sommerpause. Also wurde sich ohne große Diskussionen auf Prag geeinigt. Unser Gefährt war diesmal schnell gefunden und ließ Erinnerungen in mir erwachen... meine Fresse, damals war noch der Weg und nicht das sonntägliche Abendessen das Ziel. Ja, so schnell wir uns auf die stressfreie Variante Prag ohne Umwege geeinigt hatten, so schnell waren wir uns auch einig, nach dem 10.15-Uhr-Spiel die Heimfahrt anzutreten. Man sind wir erwachsen – gruselig!
Wie dem auch sei, mit der Klapperkiste (nicht abwertend, sondern bittere Realität) fuhren wir am Freitagnachmittag die bekannten Autobahnkilometer in Richtung Südosten. Hier eine Baustelle, da ein bisschen Stau, dann die ersten Dynamo-Bilder, „ach kick ma´, hier ham´se die Autobahn zujemacht, da sind wa alle aus de Busse jestiegen“ (DD), Vignetten-Kauf, die Autobahn muss nicht mehr verlassen werden, drängelnde Familieväter auf dem Weg in den Urlaub und schon war Prag erreicht. Zeit zum Sachen abwerfen im Hostel war eigentlich nicht mehr, wir taten es trotzdem und kamen mit wenigen Minuten Verspätung bei

Dukla Praha – Viktoria Plzen
20.07., Czech Liga, Stadion Juliska

an. 8€ waren an der Kasse mittlerweile schon zu zahlen, hatte ich anderes in Erinnerung. Aber die war auch schon verblasst, war Dukla damals doch erst mein drittes Stadion auf der ausländischen Landkarte und eher nebenbei beim Suff-Wochenende gemacht. Abgesehen vom Preis für die Tickets schienen auch mehr Kronen zum Erwerb einer Wurst von Nöten zu sein, das Bier hingegen war heute für einen guten Kurs zu haben. Gilt im Verhältnis für Bratwurst und Eintritt natürlich auch heute noch für Deutschland. Viel verändert hatte sich augenscheinlich sonst nicht. Die sonnige Gegengerade ist nur noch den besseren und einigen Schlitzhohren vorbehalten. Den Gästeblock hatte ich so auch nicht in Erinnerung. Genug der negativen Eindrücke, nach 20 Minuten Anstehen für das CZ-Menü gegenüber der Tribüne Platz genommen und den Freitag in der untergehenden Sonne genossen. Große Aufreger gab es dabei keine. Obwohl eigentlich gleich zwei mit Beginn der Partie: über 5.000 Zuschauer und ein frühes 1-0 für die Hausherren, mit beidem dürften wohl die wenigsten Buchmacher gerechnet haben.
Jedoch relativierten sich beide. Die Zuschauerzahl früher, das Ergebnis später. So machten 5.000 Tschechen Duklas schmuckes Stadion nicht zum Hexenkessel und den Favoriten reichten im zweiten Durchgang 20 Minuten um das Spiel mit dem 3-1 noch versöhnlich zu gestalten. Dazwischen passierte nicht viel, die 200-250 Gäste verteilten sich bestmöglich im Gästeblock, ohne dabei gut auszusehen. Am Anfang waren sie in kurzen Abständen immer Mal zu vernehmen, ließen mit fortlaufenden Spiel aber immer mehr nach. Irgendein aktiver Haufen, der sich vom Rest absetzte und etwas gegen die akustische Einöde unternahm; war nicht auszumachen. Dafür jedoch die hässlichste Ultras-Fahne, die ich an einem Stadionzaun gesehen habe. Das die Szene von Plzen gelegentliche Ausreißer nach oben hat ist kein Geheimnis, wie sie das jedoch hinbekommen mir ein Schleier. Bei Dukla sieht es dahingehend natürlich (noch) schlimmer aus, bzw. existiert hier schlicht und einfach keine Szene oder irgendein nennenswerter Zusammenschluss. In der Mitte der Tribüne hängen vier, fünf Lappen und das reicht hier dann auch.



Der Abend endete wie gewöhnlich in Prag, heißt nach viel zu vielen Metern und etwas Schlagseite am frühen Morgen im Bettchen. Immerhin lasse ich mich nicht bequatschen und bleibe dabei, ich schlafe aus.
Während ich somit nur kurz vom Wecker der anderen Beiden erwache, wackelten sie zum Zug nach Pardubice. Zwei Zeigerumrundungen später startete auch ich in den Tag. Vorgenommen hatte ich mir immerhin so einiges. Die erste Ernüchterung folgte jedoch gleich in der Rezeption, Fahrräder gab es dort nämlich nicht und nur ein Flyer für solche in der Innenstadt. Plan B sah eine Tageskarte vor, die mit 4€ vollkommen fair daher kommt, am Ende aber auch sinnlos war. Bis Žižkov hätte es das Blackticket getan und ab dort war ich dann eigentlich nur noch zu Fuß unterwegs. Die zweite Ernüchterung war mein Glaube sich irgendwie ohne Plan oder Handy zurecht zu finden. So dauerten die drei Anlaufstellen am Ende deutlich länger als erwartet. Der Fernsehturm und der alte Tunnel (sollte im Ernstfall die Bevölkerung vor einer Atombombe sichern) in der Nähe des Bahnhofes könnten im laufe des Vormittags abgehakt und über dem Tunnel noch etwas Sonne getankt werden. Um 14 Uhr vereinigten sich die Wege wieder und nach lecker Gulasch liefen wir etwas den Scharren von Menschen hinterher, ehe nochmal das Hostel rief... abmatten!

Sparta Praha – SFC Opava
21.07., Czech Liga, Stadion Letná

Die Straßenbahn brachte uns in die Nähe des Stadions und nach dem die überflüssige Karte an den Mann gebracht war, standen wir auch schon wieder für Bier und Wurst an. Toll, wenn die Nahrungsaufnahme noch möglich ist, ohne (finanzielle) Bauchschmerzen zu bekommen. Die Gäste hatten den Obergang schon gut gefüllt und erschienen, wie geplant, zu 99% in gelb. Am Ende waren es rund 1.400 Fans aus Opava. Nicht schlecht! Zwar gehört Opava schon zu den (gelegentlichen) Lichtblicken des Landes, aber die Zahl war schon eine Hausnummer. Das sich kurz vor dem Anpfiff fast alle Mitfahrer am Support beteiligen, war dann die nächste Überraschung. Eine viel größere jedoch, dass die Anzahl nicht nach drei Minuten auf ein Minimum reduzierte, sondern über 80 Minuten konstant die Leute den ersten Auftritt im Oberhaus nach dem Aufstieg feierten! Meine Verteuflungen vor dem Spiel waren somit – zumindest heute – fehl am Platz. Den guten Auftritt rundeten ein solides Zaunfahnenbild (sehen wir vom Unterrang ab) und eine schöne, wenn auch einfache, Choreo (Bänder und Luftballons in blau) ab. Die Freunde aus Wrocław waren mit zwei Fahnen vertreten, standen jedoch etwas abseits. Am Ende gab es sogar noch etwas Aktion am Gästeblock. Ein vierköpfiger Junggesellenabschied aus Sachsen schaffte es die Gäste dermaßen in Rage zu bringen, dass bald einige Tschechen und Polen über den Zaun in den Pufferblock kletterten und es zu einigen nonverbalen Auseinandersetzungen kam. Über Sinn und Unsinn solcher Aktionen braucht wohl nicht debattiert zu werden.
Und mein geliebter Sparta-Anhang? Auch der überraschte mich tatsächlich mal! Nach fünf enttäuschenden Auftritten von der Herde, konnten sie wenigstens akustisch fast dauerhaft vernommen werden. Zwar wurden weder an Anzahl, Liedgut oder Intensität neue Maßstäbe gesetzt, aber es reichte, um sich mit 250-300 Leuten dauerhaft Gehör zu verschaffen. Wenn der komplette Block mitzog, war es schon gut. Leider geschah dies nur maximal drei mal. Aber gut, dafür ist der Anhang vielleicht auch einfach nicht gemacht, nicht umsonst hängt die Fahne der Wiesengang zentral und der große und recht hübsche „Ultras Sparta“-Lappen am Rand. Das heutige Spiel war übrigens für genau diese Fahne und zwei weiteren das letzte Spiel. Beim Uefa-Cup-Spiel in Novi Sad wurden alle drei Fahnen aus einem abgeparkten Auto geklaut. Zurück zum Block im Oberrang, dieser hatte nämlich auch etwas für den Saisonauftakt vorbereitet und so zierte in den Anfangsminuten eine „Ultras“-Blockfahne das Bild. Die durchsichtigen Buchstaben wurden mit einer handvoll Fackeln anschließend versucht auszuleuchten. Klappte jedoch nicht so gut, da a) zu wenig Fackeln erleuchteten und b) die erste Fackel gleich etwas motiviert nach oben gehalten wurde und ein Loch in die Folie brannte. Natürlich kann so etwas passieren, bei Sparta war es aber keine Überraschung. Das beste Bild wurde eigentlich erreicht, als die Fahne verschwand und die letzten zwei Fackeln durch den Rauch leuchteten. Im weiteren Spielverlauf wurden noch drei, vier kleine Schwenkfahnen in verschiedenen Mustern eingesetzt, wusste durchaus zu gefallen und unterm Strich blieb ein unterhaltsames Spiel auf den Rängen im Gedächtnis, bei dem es mir mal wieder gelang beide Tore (2-0) zu verpassen.




Den Abend verbrachten wir im angrenzenden Park. Hier gab es ein bissel Mucke, Bier und ganz lockere Stimmung, ehe der einsetzende Regen hier allen einen Strich durch die Rechnung machte. Kiosk-Bier, Kneipe und schon waren wir nur noch zu zweit unterwegs. Die letzte Absteige kostete dann nochmal richtig Geld, ein 10er war im „Crossclub“ zu blechen. Aber das Ding hatte uns schon gestern angelockt. War dann auch ganz cool und die restlichen Kronen wurden an der Bar investiert.

Žižkov Praha – MFK Chrudim
22.07., 2. Liga, Stadion Viktoria

Eine laaaaaange Schlange begrüßte uns am Eingang, die glücklicher Weise von uns halbiert wurde und wir somit noch vor dem Anpfiff im Stadion waren. Auch hier führte uns der erste Weg direkt an den Versorgungsstand. Žižkov gewann letztendlich hinterm Grill und am Zapfhahn. Ja, dass sind die Dinge, die zählen, wenn in Tschechien Fußball geschaut wird. Fotos von Wurst und Bier liefere ich euch dennoch nicht. Der Rest war der Uhrzeit um 10.15 Uhr angepasst, alles ruhig, alles noch ein bisschen verschlafen. Darauf nahm nach 10 Minuten auch der 25-köpfige Supportblock Rücksicht und schwieg den Rest des Spiels. Recht so, nicht dass mir oder jemand anderes noch das Bier beim mit Wippen aus der Hand fällt. Die Gäste und Aufsteiger hatten auch 20-30 Personen mitgebracht, verteilten sich aber auf der linken Tribünenhälfte und blieben stumm. Dabei roch es kurzzeitig gar nach einer Sensation. Am Ende aber doch nicht: 1-1 vor 1.126 Zuschauern.
Es bleiben also noch ein paar Zeilen zum Pöbeln und Nachhaken. Was geht eigentlich so manchen Fußballtouristen in Prag durch den Kopf? Die einen malten das Stadion mit der Dose voll, die anderen klebten wild ihre Vereinslogos an alle Ecken und die Cremé de la Cremé warb mit drittklassigen Aufkleber für den eigenen Blog/Facebook-Account/sonst was. Ich bin wirklich der Letzte, der anderen bei Spielbesuchen maßregelt oder dauernd über andere Deutsche im Stadion herzieht und sich an diesem so beliebte Böse-Gucken-Spiel beteiligt, aber ein bisschen Anstand kann doch jeder an den Tag legen, auch wenn es das Mallorca des kleinen Mannes ist, oder?


Schnell noch ein Wegebier geshoppt und schon war der Trip vorbei. Auch ohne große Ausreißer ein schöner Ausflug!