Donnerstag, 20. Februar 2020

Babelsberg 03 – Chemie Leipzig

02.02., Regionalliga Nordost, Karl-Liebknecht-Stadion

Besang die Nordkurve der Babelsberger früher regelmäßig bei regnerischen Spielen das „Babelsberger Wetter“, fuhr ich dem heutigen Abstiegskrimi bei genau solchem entgegen. Wobei die sportliche Relevanz nach der kurzfristigen Verpflichtung von Daniel Frahn schnell in den Hintergrund rückte. Frahn, kaum ein mittelprächtiger Fußballspieler sorgte in seiner Karriere wohl für so viel Pressefurore wie er. Dabei blieben neben positiver (Babelsberg 03) und negativer (Cottaweg vs. Lok Leipzig, Aushängeschild selbigen Vereins) allen voran die Meldungen aus dem Jahr 2019 vieler im Kopf, als er mittel T-Shirt an einen verstobenen Neo-Nazi gedachte und er wenige Monate später im Gästeblock neben einen ebenfalls rechtsradikalen Anhänger abgelichtet wurde. Es folgte eine fristlose Kündigung und filmreife Schlammschlacht, die weniger rechte Tendenzen bei Daniel Frahn, als vielmehr beim Chemnitzer FC offerierte. Nun also zurück in der Filmstadt, bei einer Fanszene und einen Verein, die sich zusammen wie kein zweiter Verein in Ostdeutschland gegen Diskriminierung und Ausgrenzung einsetzen.
Und ja, es drehte sich tatsächlich erstmal um die Person Frahn, jedoch nicht auf Babelsberger Seite, sondern bei Chemie. „SVB03 – Ein Fußbreit den Faschisten“ und „SVB: Im Abstiegskampf ist jedes Mittel rechts“ war während des Aufwärmens auf zwei Tapeten im Gästeblock zu lesen. Auch zur Einwechslung in der 75. Minute schenkte ihm der Gästeanhang seine volle Aufmerksamkeit via Spruchband und Sprechchören. Die Babelsberger Nordkurve, die sich bis auf weniger Ausnahmen (relevant dabei wohl nur Blauzone) heute neutral zur Neuverpflichtung verhielt, führte bereits kurz nach der Verpflichtung schon Gespräche mit dem alten Bekannten. Eine weitere und allem voran öffentliche Runde solle zeitnah folgen. Interessanter hingegen war, dass sich weder die eine noch die andere Seite für seine Vergangenheit in Leipzig zu interessieren schien, bzw, diese in irgendeiner Weise kritisierte. Immerhin avancierte er dort vom Neuling, zum Publikumsliebling bis hin zum Aushängeschild des Produktes und ließ sich beispielslos vor den Karren spannen. Nun gut, für ein Fußballer reicht die Aufmerksamkeit hier. Ich weiß gar nicht, ob neben Messi schon einmal ein Spieler namentlich von mir erwähnt wurde.
Kommen wir zum Geschehen auf den Rängen. Immerhin gab es sowohl auf der einen, als auch auf der anderen Seite etwas zu hören und sehen. Der Gästeblock füllte sich überraschend gut, über 800 Chemiker machten sich aus Leipzig und Berlin auf den Weg. Zu Problemen bei der Anreise und auf den Straßen um das Stadion kam es dabei selbstredend nicht. Diverse Beziehungen sorgten für ein freundlich-neutrales Verhältnis am Spieltag. Selbige Beziehungen waren es auch, welche die Choreo zum Einlauf ermöglichten. Per Seilzug wurde am ausgemessenen Fangnetz eine „Chemie Leipzig“-Fahne emporgezogen. Als sie wieder verschwand, wehten Fahnen in grü und weiß, welche im Karomuster angeordnet waren. Ein paar Nummern kleiner fiel das Intro in der Nordkurve aus. Die Nachwuchsgruppe „Filmstadt Youth“ hatte dafür am Zaun das Spruchband „Jugend der Kurve“ befestigt. Im Block wurden die Initialen (FSY) hochgehalten, ehe Konfetti in den Vereinsfarben das Bild vervollständigte.
Bei den Filmstädtern fiel schnell die optische Präsenz ihrer Freunde aus Hamburg auf. Die neben einen alten Überhänger zusätzlich mit einer großen Schwenkfahne ihre Anwesenheit sichtbar machten. Passend dazu ergänzte der FI-USP-Freundschaftsschwenker das Bild. Die langjährige Freundschaft zwischen St. Pauli und Babelsberg (die Freundschaft zwischen USP und FI hat sich schon lange auf die gesamte Fanszene ausgeprägt) scheint dieses Jahr besonders durch gegenseitige Spielbesuche zu leben, so lässt es zumindest das weltweite Netz vermuten. Akustisch hatte es der gut besuchte Block unter der Führung des Filmstadt Infernos heute schwer, die gute aufgelegten Gäste gaben den Ton an, auch wenn der Babelsberger Block deutlich besser drauf war als zuletzt. Die Beteiligung passte, der Spielverlauf (knapper 1-0 Sieg für die Hausherren) ließ erst gar keine Lethargie aufkommen und das Wetter schien kaum jemanden zu stören. Negativ hingegen die immer wieder kehrenden Pausen und die fehlende Lautstärke, die auch beim eingeschlagenen Liedgut hätte besser sein können.
Die Leutzscher also wie erwähnt tonangebend. Dafür reichte bei der mitgebrachten Masse ein durchschnittlicher Auftritt. Die aktive Szene stellte sich im Block breit auf, konnte aber nur bei einigen wenigen Liedern den Großteil des Anhangs einbinden. Pausen blieben aus, dafür nahm zwischendurch merklich die Lautstärke ab. Zum Ende der ersten Hälfte und im zweiten Durchgang lockerten die Ultras mit einigen Schlachtrufe die Unterstützung merklich auf und trieben somit die Lautstärke wieder an. Das Bild des einheitlichen Blocks zerstörten die gewöhnungsbedürftigen Schwenkfahnen der Skins und Green Bastards – über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.