Sonntag, 9. Februar 2020

Saisonfinale im Kosovo und Pokal in Brandenburg - Teil I

Spiel: KF Vëllaznimi - KF Gjilani

Die Spiele sind nun schon 21 Monate passé und die Erinnerungen an die wirklich guten Partien dahin. Dennoch will ich versuchen, die Ereignisse wenigstens kurz anzureißen. 

Denke ich an die zurückliegende Tour, kann ich mir ein dickes Grinsen nicht verkneifen. Die gesehenen Spiele ließen keinerlei Wünsche offen. Fette Pyro, Rennereien samt Spielabbruch, utopische Unterstützung außerhalb des Stadions und ein Verband der die Segel strich. Dazu eine geniale Reisegruppe, die durchweg Spaß machte.

Von Schönefeld ging es zu zweit nach Skopje. Am dortigen Busbahnhof erwartete uns Nr. Drei im Bunde und nach dem die Weiterfahrt samt Fahrkarte geklärt war, liefen wir ins aufgesetzte Zentrum. Wer jetzt Fragezeichen über den Kopf hat oder wirkliches Interesse an dem Thema haut bei seiner Suchmaschine des Vertrauens einfach mal „Skopje 2014“ rein. Das Thema würde jetzt den Rahmen sprengen und zudem habe ich mir schon nach meinem ersten Besuch in Mazedonien (ha... wie die Zeit vergeht: Nordmazedonien) daran die Finger wundgeschrieben. Die beleuchteten Springbrunnen hinter uns gelassen, nahmen wir im osmanischen Viertel Platz, schaufelten uns die ersten Cevapcici rein und drehen wenigstens eine kleine Runde. Zurück am Busbahnhof wartete der ehemalige „Amalfi Tours“-Bus auf uns. Keine 20 Sitze im Bus und neben uns nur zwei weitere Fahrgäste – Luxus. Durch die dunkle Nacht blieben uns heute landschaftliche Eindrücke verwehrt und wir schwelgten währenddessen in Erinnerungen, bzw. lauschten wir den Ausführungen unseres Freundes. Meine Fresse, was für Geschichten. Gegen Mitternacht kamen wir in der Hauptstadt des Kosovos an. Unsere Unterkunft sollte in einer Platte, ganz in der Nähe des Bill-Clinton-Denkmals, liegen. Bis zum Ehrenmal war der Weg ein leichtes und die Laune prächtig. Nachdem wir 20 Minuten später, in der angegebenen Straße, noch keine Bude fanden und unser Vermieter via Telefon keine große Unterstützung war, drohte - zumindest bei mir - die Stimmung zu kippen. Keine drei Minuten später hatten wir unsere Wohnung im gefühlten 74. Stock gefunden. Mal wieder Glück gehabt und fast schade, dass wir dort nur wenige Stunden verweilen würden. Saubere Bleibe mit Balki, nettem Wohnzimmer und toller Aussicht. Davon hatten wir jedoch wenig, denn nach einem kurzen Besuch beim Konsum rief auch schon das Bett.
Und auch am nächsten Morgen war keine Zeit für ein Frühstück über den Dächern Pristinas. Die Nahrungsaufnahme wurde auf die Straße verlegt, ehe es per Taxi zum Flughafen ging und wir unser Mietauto in Empfang nahmen. Die Miruša-Wasserfälle wurden als Ziel auserkoren und konnten, anders als vor drei Jahren, ohne lange Wanderung direkt angefahren werden und wir liefen die teilweise arg abenteuerlichen Wege hinauf. Selbst unser Wandermuffel konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Leider musste ich oben feststellen, dass der weitere Pfad (u.a. mit einfachen Drahtseilen) Geschichte war und dementsprechend zurück gebaut wurde. Bevor wir den Weg wieder hinab stiegen, gab es noch eine Erfrischung im sauberen aber kaaaaaaaaaltem Bach. Zurück am Ausgangspunkt, gönnten wir uns ein Bier, nahmen in den Plastikstühlen Platz und genossen den Ausblick, das Wetter und die Zeit.

In Gjakovë war vom anstehenden Abstiegsduell nicht viel zu spüren und eher durch Zufall stolperten wir wenige hundert Meter vor dem Stadion in den Kartenverkauf für das Spiel. Dieser bestand aus einem Gartentisch samt roter Tischdecke, auf den die Tickets fein säuberlich auf zwei Stapel aufgeteilt waren. Wir schlugen gleich zu und trafen somit die richtige Entscheidung, wie sich später herausstellen sollte. Zum Anpfiff waren es der Weile noch mehr als drei Stunden und wir bewegten uns in Richtung Altstadt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ortschaften im Kosovo, hatte Gjakovë nämlich einen sehr ansehnlichen osmanischen Stadtkern und konnte sich somit gar über einige Touristen freuen. Nicht Venedig und Split aber immerhin galten die kleinen und engen Gassen als eines der Ziele – abseits der Natur - im Land. Neben zahlreichen Kneipen gab es sogar Ramschläden. Die albanische Kultur schien in der Region noch sehr verankert zu sein und neben Trachten für die Besucher gab es einige Geschäfte mit echten, qualitativen und allen voran hübscheren Trachten. Da ich mir spätestens nach dem Kauf eines Berber-Pullovers in Marokko eingestehen musste, solche Sachen in der Heimat eher selten überzustreifen, blieben die Gewände bei den Verkäufern. Dann lieber das Camouflage-Cap mit UÇK-Schriftzug, was einem Wegbegleiter noch heute erfreut und (viel zu) oft von ihm getragen wird. In einem feinen Innenhof speisten wir, ehe wir es den Einheimischen gleichtaten und in eine der vielen Kneipen Platz nahmen. Im Nachgang der Reise lies ich von einer Arbeitslosenquote über 40% (60% bei den 15-24-Jährigen), das Bild in der rustikal gepflasterten Straße hätte nie drauf schließen lassen. Selbst abseits der Altstadt wirkte die Stadt nicht besonders trist, verarmt oder wenig belebt. Eigentlich war überall wildes Treiben. Wie es hinter den Fassaden aussieht, lässt sich bei einer kurzen Stippvisite natürlich schwer sagen. Probleme im Kosovo sind omnipräsent und ein wirklich sorgloses Leben führen wohl nur die wenigstens.

KF Vëllaznimi - KF Gjilani
19.05., Superliga, Stadiumi i Qytetit

Zur Ausgangslage am letzten Spieltag: KF Vëllaznimi belegte den 9. Tabellen- und somit einen von zwei Relegationsplätzen. Auf dem 8. Platz und damit über den Strich verweilte der Gast, mit zwei Punkten mehr. Heißt also, gewinnen die Hausherren nicht, müssen sie in die Relegation. Ein direkter Kampf ums Überleben, ein bisschen wie im alten Rom… nur halt doch irgendwie komplett anders. Für Spannung war dennoch gesorgt.
Für den entsprechenden Rahmen sorgten weit mehr als (die zugelassenen) 6.000 Zuschauer, im zweiseitig bebauten Stadion. Beim zweiten Spiel für mich im Kosovo hieß es also tatsächlich wieder „ausverkauft“. Solche Zahlen sind jedoch die Ausnahme und werden nur bei dem Derby in Gjilan oder, wie heute, bei entscheidenden Spielen erreicht. Vëllaznimi kickte den Rest der Saison beispielsweise vor selten mehr als 800 Zuschauern. Nichtsdestotrotz verzeichnen die Ultras im Kosovo in den letzten Jahren ihr großes Comeback und neben etablierten Gruppen (z.B. Torcida 1984(!) aus Mitrovica, Ultras Plisat 1987 aus Pristina, nach dem Krieg folgten Intelektualët 1998 von Drita, Skifterat 1999 vom heutigen Gast und ebenfalls 1999 gründete sich Kuqezinjet des Gastgebers, Arpagjik't Prizren folgte 2000), bildeten sich weitere oder wurden wieder reaktiviert. Bis zu uns, vor dem heimischen PC, schafften es natürlich meistens nur die großen Aktionen, jedoch haben die verschiedenen Kurven weit mehr als nur Pyro zu bieten.
Das wurde uns schon 60 Minuten vor dem Anpfiff bewiesen, als der größere der beide Heimblöcke (1927: am äußersten Rand der Geraden, etwa 150; Kuqezinjet e Jakoves, zentral auf der Geraden, etwa 500) anfing zu singen. Von jetzt auf gleich sang der recht junge Block in einer enormen Lautstärke und verstummte nur kurz, als die Mannschaft zum Aufwärmen begrüßt wurde. Viel Armeinsatz, gepaart mit überschaubarem Liedgut stärkten die Rücken der Spieler. Das Stadion hatte der Weile seine maximale Kapazität, auch in den Augen der Verantwortlichen, erreicht und ein mehrstöckiger Rohbau diente dutzenden Menschen als weitere Tribüne. Die Mauern um das Stadion waren ebenfalls besetzt, auch sprang von dort immer mal einer wieder ins Stadion. Zur Halbzeit wurden die Zugänge übrigens freigegeben und noch einmal strömten die Leute in das Stadion. Bis dahin hatten sie aber schon eine Menge verpasst.
Kuqezinjet e Jakoves startet mit einer kleinen Choreo. Ein etwas klein geratener Joker wurde mittels Netzes an den alten Fahnenmasten hinaufgezogen. Das lieblose Spruchband ließ „Rache“ verlauten. Ein massiver Pyro-Einsatz war es dann, der das Intro rettete. Eine handvoll Fackeln und vor allem dutzende schwarze Rauchdosen sorgten für eine schwarze Wand. Im Anschluss wurde wieder der Support aufgenommen, jedoch nicht mehr so intensiv, wie vor dem Spiel. Ob es nun an der Anspannung und dem spannenden Spiel lag oder der prallen Sonne, bei weit über 30 Grad, mag ich nicht ein zu schätzen. Die Pausen wurden im Laufe des Spiels immer länger. Eine große Fluchtration während des Spiels gab es hingegen nicht. Sobald einer der drei Vorsänger etwas vorgab, stiegen wieder gut 500 Leute ein. Ebenfalls änderte sich wenig an der Lautstärke und gerade die mehrmals zelebrierten Wechselgesänge knallten geradezu zwischen den Häuser. Und der andere Haufen? Der hatte auch vier Zaunfahnen an der Zahl, wenn jedoch auch deutlich kleiner. Interessant dabei, dass bei beiden die Gruppenfahnen und die mit eher fussballuntypischen Inhalt (UÇK , Großalbanien) die Waage hielten. Hingegen unterschied sich der Stil im Block deutlich. So ging es bei ihnen sehr melodisch zu, dementsprechend wurden die Lieder länger getragen. Außerdem wurde viel gesprungen und sich beim Nebenmann eingehakt, es war dauerhaft Bewegung drin. Pyro gab es bei ihnen auch, jedoch frei Schnauze und eher um die Leute zu pushen. Der Haufen machte, auf mich persönlich, einen sehr guten Eindruck. Auch wenn die Lautstärke aufgrund der Menge nicht an die der Mittellinie herankam.
Die Gäste bekamen nur 100 Tickets und fanden sich am äußersten gegenüber der Heimblöcke wieder. Die Auswärtsfahne der Ultras Skifterat 1999 war somit wenig überraschend die einzige am Zaun. Gehör konnten sie sich nicht verschaffen. Bemühungen (Arme) hingegen waren gelegentlich zu erkennen. Als ich im zweiten Durchgang die Seite wechselte, änderte sich an meiner Wahrnehmung wenig. Von Cops und restlichem Publikum auf ein Minimum zusammengedrängt, hatten sie in diesem wichtigen Spiel schlechte Voraussetzungen für einen leichtgängigen Support und so blieb es Stückwerk, zumal Skifterat es nicht schaffte alle Gäste mitzureißen.
Der große Aufreger des Spiels folgte zum Ende. Es dürfte die 80.-85. Minute gewesen sein, als sich ein Spieler der Gäste beim Stand von 0-0, einmal mehr lange auf den Boden krümmte. Wie schon zuvor flogen Dosen, Flaschen und sonstiger Müll. Nur, dass der Adressat diesmal getroffen wurde und eine Platzwunde am Kopf davontrug. Natürlicherweise resultierte daraus eine gewisse Eigendynamik. Die Spieler aus Gjilan waren selbstredend außer sich, genauso wie ihre Anhänger. Es folgten wilde Pöbeleien und Gestikulationen. Statt auf der Heimseite nun das Werfen einzustellen, flog weiterhin diverser Unrat in Richtung Gästeblock und Spieler. Es dauerte nicht lange und die ersten Rebeireien durch die Polizeikette folgten. Die 10-15 Polizisten in feinem Hemd und ohne jegliche Ausrüstung hatten ihre Probleme die Übersicht zu behalten und drängten die Gäste durch ein Tor in Richtung Kabinen und Ausgang. Hielten sich die zwei aktiven Blöcke bis dato noch zurück, rauschten nun locker 120-150 von ihnen an mir vorbei und bahnten sich den Weg zu den Gästen. Über die dortige Steinmauer feuerten sie ihrerseits mit Geröll und Steinen auf die eingesperrten Gäste. Die Cops hatten alle Mühe, das einzige Zugangstor zu zuhalten und eine weitere direkte Konfrontation zu verhindern. Erst die anrückenden Cops im besten Riot-Outfit konnten die Angreifer zerstreuen und die Gäste aus dem Stadion holen. Weit kamen sie jedoch nicht und mussten sich, samt der Fans, in einen Rohbau zurückziehen, bis weitere Beamte angekarrt wurden. In der Zwischenzeit versuchten die Angreifer über ein anliegendes Schulgelände – mit Holzlatten bewaffnet – einen Weg zu finden. Andere nutzten die unübersichtliche Lage und warfen mit Steinen auf die Cops und - wieder einmal – eingesperrten Gäste.
Mein Favorit war jedoch ein Jugendlicher, der sich einem Cops von hinten näherte und diesem ohne Ankündigung mit der flachen Hand eine knallte. Flinken Fußes versuchte er sich anschließend der Festnahme zu entziehen und verschwand in der Menge von Schaulustigen. Leider nur mit mäßigem Erfolg, jedoch konnten die Bullen die Festnahme nicht durchführen. Zuviel Männer, auch im gesetzten Altem, stellten sich schützend vor den Jungen. Als sie ihrerseits die verdutzten – mittlerweile behelmten – Polizisten zu bedrängen und bepübeln nutzte die fliegende Hand die Unübersichtlichkeit und verschwand zwischen den anliegenden Wohnblocks.









 

Am Auto konnte sich ein breites Grinsen niemand verkneifen und die einstündige Anfahrt zum Nachtlager in Pejë verging bei der Auswertung selbstredend wie im Fluge. Fix die Sachen im kleinen Zimmer abgelegt, drehten wir eine Runde durch die Stadt. Die Innenstadt war recht gut besucht, sicherlich auch, weil in Pejë über die Wochen ein Filmfestival stattfand und somit einige Besucher anlockte.
Am Morgen weckten uns bereits früh die ersten Gesänge auf der Straße von vereinzelten Drita-Grüppchen. Zudem boten diverse Handwerker und Landwirte ihre Dienste auf dem kleinen Platz vor unserem Fenster an. Sobald ein Fahrzeug anhielt, starteten die lautstarken Verhandlungen in einem Pulk von locker 20 Personen. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Gut so, denn neben gutem Wetter gab es in der Umgebung noch einiges zu sehen. Auf den Weg zum Žljeb Berg und dem dortigen Weißer-Drin-Wasserfall, in der Nähe der montenegrinischen Grenze, tangierten wir durch Zufall einen kleinen Rummelplatz. Zwei der mutigsten Mitfahrer stürzten sich, trotz aller baulichen Mängel, sofort auf den Autoskooter und drehten ihre Runden. Beim Kettenkarussell, welches nur auf ein paar losen aufgetürmten Steinen stand, traute sich anschließend dann jedoch wirklich keiner mehr. Stattdessen ging es ins Grüne und entlang des Weißen Drin, hinauf zur Höhle.Auch hier konnte unser Naturmuffel ein kleines Grinsen nicht verstecken. Und die Höhle!? Na ja, wie immer ein Reinfall! Die Zeit ließ noch einen Besuch der Rugova-Schlucht zu. Immer ein Besuch wert und so fuhren wir mit dem Auto bis zur – geschlossenen – Grenze von Montenegro und nutzen die kleinen Ausbuchtungen für diverse Stopps.