Samstag, 27. November 2021

Riga und Litauen im Schnelldurchlauf

Spiele: Riga FC - FK Valmiera, Hegelmann Litauen - FK Sūduva Marijampolė, Dainava Alytus - FK Žalgiris Vilnius, Žalgiris Kaunas - Lietuvos Rytas

Erstmalig ging es für mich vom neuen Flughafen los. Diverse Horror-Meldungen über Chaos und elendig lange Abfertigungen ließen auch uns schon über 2h vorher am Flughafen via Bahn einfahren. Unübersichtlich war es tatsächlich und die Schlange am Check-In reichte schnell bis weit in die Ankunftshalle. So schien tatsächlich noch Luft nach oben zu sein. Natürlich wird vom Betreiber und den Fluggesellschaften wieder die Corona-Karte ausgespielt, auf die ich nicht weiter eingehen will. Im Flieger nach Lockdown-Riga dann keine 25 Menschen und wir konnten uns im wahrsten Sinne des Wortes nochmal lang machen.
Lettland samt Riga befanden sich seit wenigen Wochen wieder im krassen Lockdown, wie bei uns (aktuell) noch undenkbar. Dazu gehörten nicht nur verschlossene Läden und Gastronomie, sondern gar eine Ausgangssperre von 20 bis 6 Uhr. Somit war schnell klar, dass es abends zu den Nachbarn nach Litauen gehen würde, da war die Welt noch weitestgehend – zumindest für Geimpfte – in Ordnung. Nun waren wir aber erstmal in Riga. Der Bus fuhr uns durch die überraschend tristen Wohngebiete. Für Erheiterung sorgten währenddessen zwei Fahrgäste, die gegen 10 Uhr kaum noch das Sprechen mächtig waren und ihre Schnapspulle mehrmals durch den Bus rollte. Bis zum anvisierten Spiel hatten wir noch etwas Zeit und liefen einige Ziele in der Innenstadt ab, dazugehörten allen voran die ehemaligen russischen Denkmäler. Ehemalig deshalb, weil diese mittlerweile EU-verträglich angepasst wurden. Richtig abholen konnte uns die Stadt nicht. Ob es nun an den leeren Straßen oder an den hohen Erwartungen lag, ich weiß es nicht. Das Highlight war am Ende der Blumenmarkt und die Markthalle. Sicherlich auch, weil hier noch wildes Treiben und somit Leben herrschten.

Riga FC - FK Valmiera
06.11., Virsliga, Stadions Skonto

Lockdown bedeutet – und das wissen wir Fußballfans alle nach den letzten Monaten – auch, dass Fußball entweder gar nicht oder ohne Zuschauer gespielt wird. Das gilt nicht nur bei uns, sondern auch in Lettland. Unterhalb der Virsliga wurde alles abgesagt und im Oberhaus wird vor leeren Rängen gespielt. Unsere Recherchen offenbarten aber einen Verein, der seinen (paar) treuen Seelen keine unüberwindbaren Steine in den Weg legte und gar den Sichtschutz/Werbung am unbebauten Ende des Stadions teilweise auflockerte und eine - am Ende wirklich - uneingeschränkte Sicht auf das Spielfeld zuließ. Somit konnten wir entspannt dem Kick entgegenlaufen. Zumindest bis sich auf halben Weg der Himmel seine Schleussen öffnete und monsunartiger Regenfall begann.
Der 20-köpfige Kuttenmob war sichtlich besser vorbereitet als wir und erschien einheitlich in Regenponchos. Ungeachtet vom Regen und generell ungemütlichen Wetter (kalt, windig – pfui) trommelte sie auf ihren zwei Pauken und riefen eintönig „Riga“ ins leere Stadion. Im zweiten Durchgang meine ich mich zu erinnern, dass tatsächlich ein anderer Schlachtruf von sich gegeben wurde. Meine Hand will ich dafür aber nicht ins Feuer legen. Am Ende – und so ehrlich dürfen wir auch sein – war es doch genau das, was wir erwarteten und ging in Ordnung.
Wenn auf den Rängen schon nichts los war, konnten wir wenigstens dem rollenden Ball ohne große Ablenkung verfolgen. Aufgrund der Nähe zum Platz, wirkte das ganze sehr lebhaft und schnell. Definitiv besser als das Geb(h)olze in Liga vier aber vielleicht bin ich da auch einfach nicht mehr auf den laufenden und das war im Umkehrschluss auch nur das Niveau der 2. heimischen Liga. Tore wollten unterdessen nicht fallen und so trennten sich die Parteien, wie sie starteten: 0-0.



Der Regen hatte inzwischen nachgelassen und wir stampften nochmal durch die Stadt. Nördlich der Düna erinnert – auch abseits der Innenstadt – wenig an das triste Riga, wie vom Flughafen kommend. Viele hübsche Gebäude und breite Straßen, in denen wir uns mit Proviant für die Busfahrt nach Vilnius ausstatteten. Der Anbieter Luxexpress stand seinem Namen in nichts nach. Selten so gut im Bus gesessen. Schlaf, Internet, Dummquatschen und den prasselnden Regen auf der Scheibe verfolgen, ließen die Zeit angenehm vergehen. Vilnius wurde mir immer von so vielen Leuten empfohlen und auch im Netz wird die Stadt gerne zum Himmel gelobt – wir waren also gespannt. So sehr, dass wir gleich eine Ehrenrunde um den Bahnhof drehten. Endlich richtig, wirkte die Stadt ziemlich verschlafen, um nicht zusagen ausgestorben. Für Fotostopps optimal, für einen abwechslungsreichen Abend eher weniger. Nach dem wir unsere Sachen in die Unterkünfte brachten, brachen wir auf. Die erste Kneipe sollte es werden. Wie es dann so ist, wurde es die vierte oder fünfte, weil irgendwas immer nicht passte (zu hipp, zu teuer, zu zu usw.). Es folgten einige weitere und mit leckerem gebratenem Brot auch endlich eine Mahlzeit. Die Kneipen waren allesamt gut gefüllt, jedoch wurde schon fast übertrieben auf die Impfnachweise geachtet. In den zwei Tagen Litauen musste ich meinen CovPass öfter zeigen als in einem halben Jahr in Deutschland. Das soll jetzt weniger Kritik sein, als vielmehr zeigen, wie locker es bei uns zugeht.
8 Uhr erklang der Wecker und das eigene Wohlbefinden zeugte von zu wenig Schlaf, einer Knobi-Vergiftung und zu viel Bier am Vorabend. Ein kurzes Telefonat mit meinen Kumpanen bestätigte, dass ich nicht allein mit dem Gefühl war. So bat er noch fix eine Runde zu laufen, bevor er das Steuer des Mietautos übernahm. Wir machten am Vorabend also genau dass, was die Einheimischen seit Jahren auf die Spitze trieben, bis der Staat 2017 die Notbremse zog: Konsum von übermäßigem Alkohol. Die Regierung nahm den zweifelhaften Titel in der Kategorie „reiner Alkohol pro Kopf“ zum Anlass eine ganze Reihe von Gesetzen zu entwerfen und umzusetzen. Dazugehören eingeschränkte Verkaufszeiten von Alkohol (außerhalb von Kneipen), Werbeverbot für Alkohol, Steuererhöhung und ein erhöhtes Mindestalters für den Konsum. Laut Medienschau geben diverse Studien dem Staat recht, der Konsum nimmt stark ab und vor allem Jugendliche greifen weniger zur Flasche.
Die Wasserburg vor den Stadtgrenzen war unser erster Anlaufpunkt. Wenige Minuten später ging die wilde Fahrt weiter und wir steuerten Kaunas an. Am dortigen Fort IX, einer Festungsanlage aus dem ersten Weltkrieg, nahmen wir uns deutlich mehr Zeit. Die Anlage wurde später als Gefängnis für politische Häftlinge der UdSSR und nach der Besetzung der Nazis (1941) als Gefangenlager und Mordstätte (70.000 Menschen wurden schätzungsweise hier ermordet) genutzt. Heute erinnerte eine – sofern ich es sagen kann – gute Ausstellung an die Zeit. Requisiten, alte Einrichtungsgegenstände, private Eigentümer und anschauliche Texte ermöglichten einen tiefen Einblick und ließen in den dunklen Räumen kaum Platz zum Atmen. Wenn ich mir noch tausend andere Gedenkstätten anschaue, ich werde nie verstehe wie Menschen anderen so etwas antun können.
Die Zeit bis zum ersten Spiel vertrödelten wir anschließend zwischen Plattenbauten und der kleinen Innenstadt, aßen einen Tankstellen-Hotdog (kein Vergleich zu Polen) und fanden das gebratene Brot im Konsum wieder.

Hegelmann Litauen - FK Sūduva Marijampolė
07.11., A Lyga, NFA Stadionas

Eintritt erlangten wir, gegen unsere Anschrift und Telefonnummer zur Kontaktverfolgung, kostenlos. Andernfalls wären wir bei den veranschlagten 45 Minuten auch auf die unbebaute Seite des Sportplatzes (samt Kunstrasen) ausgewichen. Dort lungerten schon einige Gäste aus dem 60km entfernten Marijampolė herum. Kurzzeitige Hoffnung, dass von außen ein kleiner Haufen mittels Support auf sich aufmerksam machen würde, wurde jedoch mit dem Blick auf die letzte Ecke der kleinen Tribüne zunichte gemacht. Dort platzierten sich nämlich ein dutzend weiterer Sūduva-Anhänger. Diese hatten zwar drei Fahnen an der Spielfeldbegrenzung festgemacht aber der Blick in die Gesichter offenbarte direkt, dass hier nicht viel zu erwarten war. Ja, selbst die Gang von Riga FC hätte den Haufen auch mit dem 84. „Riga-Rums-Rums-Rums“ in die verbalen Schränke verwiesen. Beim Logistikunternehmen Hegelmann … ähm FK Hegelmann Litauen war natürlich noch weniger los und nicht etwa das fixe 1-0 sondern mein Rückpass vom Seitenaus zum Spieler führte zum ersten emotionalen Gefühlsausbruch neben dem Platz. Sorgte ich doch beim heraneilenden Balljungen für ein entsetztes und gleichermaßen enttäuschtes Gesicht. Wie unangenehm! Zur Halbzeit wandten wir dem Spiel und den doch knapp 150 Zuschauern den Rücken zu und freuten uns auf die folgenden Paarungen mit deutlich mehr Potenzial.


Dainava Alytus - FK Žalgiris Vilnius
07.11., A Lyga, Alytaus m. centrinis stadionas

Die Partie in Alytus darf zweifelfrei als größte des Landes bezeichnet werden – zumindest was den Fußball betrifft. Beide Seiten verfügen über Szenen, die unseren hiesigen Vorstellungen von Ultras am nächsten kommen, kontinuierlich Auftreten und die gängigen Elemente der Kultur nutzen. Auf der Seite von Alytus gründeten sich 2001 die „Dzūkų Tankai“. Diese dürften wohl spätestens seit dem Sommer 2020 ein Begriff sein. Waren sie es doch, die als erste Gruppe mit einer Choreo das Ende der Zeit ohne Fußball (mit Fans) einläutete. Baltikums-Liebhaber werden sie sicher schon früher auf dem Schirm gehabt haben – ich gehörte nicht dazu. Bei meinen oberflächlichen Recherchen war ich umso überraschter, dass der Fanblock bei großen Spielen an die 100 Köpfe zählt. Verbindungen gibt es in die Hauptstadt, jedoch nicht zum heutigen Gegner – den sie feindlich gegenüberstehen – sondern zum Basketballverein Rytas aus Vulnius und der dortigen B Tribūna. Gegenseitige Unterstützungen gehören augenscheinlich zum jeweiligen Wochenende. Die heutigen Gäste (Pietų-IV Ultras) aus Vilnius haben hingegen einen weiterreichenden Ruf, auch außerhalb des Baltikums. Jährlich nehmen sie an den europäischen Cup-Wettbewerben teil und füllen bei diesen Spielen ihren Block (für litauische Verhältnisse) überdurchschnittlich und sind dort auch auswärts immer wieder wahrzunehmen. Der Liga-Alltag ist meistens grau und eintönig, somit kein Vergleich zu den großen Spielen im Sommer. Freundschaftliche Kontakte gibt/gab es zu Dinamo Kiew, inwiefern das noch aktuell ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Intakt ist auf jeden Fall die Freundschaft zu Klaipėda.
Wir kamen noch nicht einmal dazu das Auto abzustellen, da schweiften unsere Blicke schon in den Wald am Stadion. Ein 60er Haufen der Gäste schlug mit dem Verlassen ihrer Minibusse den direkten Weg zum Heimeingang ein. Die wenigen und nun sichtlich überraschten Cops konnten die Gäste mittels gezücktem Pfeffer jedoch schnell zum Abdrehen drängen. Ein, zwei Gesänge wurden noch in Richtung der heimischen Fans gerufen, ehe sich der Tross in Richtung ihres Eingangs bewegte und der Weg zum Eingang für uns frei war. Kalt war es, schnell wieder ins Auto und noch 10 Minuten die Wärme genossen. Die Gesänge waren es dann, die uns doch schon ein paar Minuten vor dem Anpfiff in das Stadion zogen.
Kaum mehr als 400 Zuschauer dürften der Partie beigewohnt haben, in der es immerhin für beide Seiten noch sportlich um etwas ging. Žalgiris kämpfte am drittletzten Spieltag um den Titel und der Gastgeber aus Alytus wollte nicht auf einen Relegationsplatz abrutschen. Die fehlende Quantität wurde von den, sich gegenüber befindlichen, aktiven Blöcken gut retuschiert. Was heißt retuschiert!? Am Ende ist ein leeres Stadion - mit wenigstens einer aktiven Kurve/Szene - doch tausend Mal interessanter als 50.000 Idioten die wegen dem Event, irgendeinem austauschbaren Spieler gekommen sind und das Spiel stumm und weitestgehend emotionslos konsumieren. Die Voraussetzungen heute waren andere. Der Heimblock, am äußersten Ende der Tribüne, umfasste 70 Menschen. Im Gästeblock waren es 107. Macht zusammen knapp 50% der Zuschauer und mich glücklich.
Das Stadion war nur auf den beiden Längsseiten bebaut. Auf der einen Seite eine große Tribüne (mit Kneipe und großer Pizza- und Bierauswahl), auf der andere eine Stahltribüne über die komplette Spielfeldlänge. Dort formierten sich die Gäste zu einem 1A-Quadrat und hielten drei Fahnen in der ersten Reihe. Beim Blick durch die Linse fiel mir gleich auf, dass dort wirklich alle zusammenstanden und weder die paar bierbäuchigen Kutten noch der einzige grauhaarige Opa sich abgrenzte. Ich würde jetzt nicht von einem bunten Haufen reden, dafür war der Anhang zu homogen. Aber die wenigen, die sich rein optisch absetzten, waren ausnahmelos mit von der Partie auf den Rängen. Geil, hätte ich im Leben nicht erwartet. Wie erwähnt, legten die Gäste ein paar Minuten vor dem Spiel los und konnten bis zur Halbzeit die Lautstärke auf einem hohen Level halten. Melodische Leckerbissen blieben mir nicht im Kopf, viel mehr wurde auf brachiale und meistens auch sehr kurze Gesänge zurückgegriffen. Abgesehen von einer Hüpfeinlage waren es ausnahmslos Handparaden, die in den starren Mob für etwas Bewegung sorgten. Das soll, wie so oft, keine negative Beurteilung sein. Die Lautstärke, die wenigen Pausen und die hohe Beteiligung befürworteten den eingeschlagenen Stil, auch wenn er für Außenstehende wahrscheinlich nicht der interessanteste ist. Über die Heimfans kann ich kaum etwas sagen, zu sehr zogen die Gäste meine Blicke und Gehör auf sich. Hinzu kam die schlechte Sicht. Im Kopf blieb auf alle Fälle die einheitliche schwarze Kleidung. Ob abgesprochen oder nicht, dass sah schon sehr Randale ambitioniert aus. Dazu passte dann (leider) auch die akustische Unterstützung, die belief sich nämlich auf einige Klatscheinlagen in großzügigen Abständen. Ob nun einen schlechten Tag, unser Standort suboptimal oder die Anspannung zu groß war, wird vielleicht irgendwann ein weiterer Besuch von Dainava zeigen. Denn das Spiel kann ich mir durchaus vorstellen noch einmal zu besuchen. Heute waren jedoch nicht einmal 90 Minuten drin, der Anwurf in Kaunas hätte nicht auf uns gewartet.




Žalgiris Kaunas - Lietuvos Rytas
07.11., Lietuvos krepšinio lyga, Žalgirio Arena

Unser zeitlich sehr knapp bemessenes Unternehmen ging am Ende auf. Dazu gehörte etwas Glück bei der Parkplatzsuche im eigentlich vollen Parkhaus und, dass der Großteil die Einlasskontrollen (samt CovPass) schon passiert hatte. Die Corona-Regeln wurden nicht nur am Einlass konsequent umgesetzt, sondern auch in der Halle. Wer seine Maske nicht richtig auf hatte, wurde umgehend von den Ordnern daraufhin gewiesen. Wer mit Trinken und Essen in der Halle erwischt wurde, wurde sofort in die Fressmeile im Umlauf geschickt. Anders lässt sich eine Halle mit über 5.000 Leuten wohl aktuell auch nicht ohne Bauchschmerzen füllen. Ja, richtig gelesen. Beim Basketball tummelten sich mehr als 10x so viele Menschen wie zuvor beim einzigen Fußballspiel mit zwei ernstzunehmenden Fanszenen. Dazu muss erwähnt werden, dass es sich um das schlechtbesuchtest „Basketball-Derby“ seit Jahren handelte. Basketball würde mich nach x-Enttäuschungen in Griechenland (einzig einmal Glück bei PAOK – PAO gehabt) im Normalfall kaum noch zu einem Besuch motivieren und auch heute versuchte ich meinen Kumpel in die Richtung zu bewegen, doch noch etwas länger beim Fußball zu bleiben. Erfolglos. Zurecht! Denn die Umstände waren heute klar. Beide Seiten waren motiviert und machten schon Wochen vor dem Spiel auf ihren jeweiligen Internetseiten mobil. Sprich, ein Reinfall konnte ausgeschlossen werden.
Die Gäste aus Vilnius fuhren via Zug nach Kaunas (erstmalig seit 2017) und liefen – weit vor unserer Ankunft - im Corteo zur Halle. Bullen mit Sturmhauben, wildes Gehüpfe und unzählige Fackeln rundeten das kompakte Bild ab. Abgesehen von den durchaus martialischen Bildern war von einer vorhandenen Rivalität oder gar Feindseligkeit für uns wenig zu spüren. Dafür war die Entfernung in der Halle zu groß und die An- und Abreise zu organsiert. Friede, Freude, Langeweile!? Mitnichten, denn sowohl für die Augen als besonders für die Ohren legten beide Seiten, trotz eindeutigem Spielverlauf zu Gunsten der Gäste, eine flotte Sohle auf das Parkett. Auch wenn auf den Rängen ein Vorteil für die Gäste nicht von der Hand zuweisen war – optisch wie akustisch. Der Heimblock, um die Gruppe „Green White Boys“, hatte eine kleine Choreografie vorbereitet (angelegt an den Horrorstreifen „The Purge“, 40 Minuten ist jede Art von Kriminalität legitim). Die verlor jedoch an jegliche Ausstrahlung, als ich den elektronischen Seilzug erkannte. Deutlich besser war hingegen deren einheitliche Outfit (weiße Shirts) und generell der Blick auf den Block. Über den doppelten Inhalt der Zaunfahnen (2x GWB) darf sicher diskutiert werden, aber es sah nach Leben und Subkultur aus. Rund 200 Leute standen dort enggedrängt (wohlgemerkt über die komplette Dauer mit OP-Maske oder wahlweise Sturmhaube) und zogen ohne große Pausen an einem Strang. Trotz Hallendach kam von ihnen nur wenig auf unseren Plätzen an. Zu laut waren die Gäste, die im Oberrang direkt unter dem Dach platznahmen. Die Vorsänger schafften den sehr breit aufgestellten Haufen (ca. 400) fast dauerhaft und komplett einzubinden. Egal ob bei diversen Hüpfeinlagen, einfachem Einklatschen oder kurzen Schlachtrufen, die Leute hatten Bock und die Protagonisten der B Tribūna heute – trotz nicht alltäglicher Masse – ein leichtes Spiel. Optisch wirkte das auch alles rund. Die Fahnen wurden in der ersten Reihe gehalten, die Leute verteilten sich gleichmäßig. Im Gegensatz zum heutigen Kontrahenten wählten die Gäste ihrerseits rote Bekleidung aus und gaben somit ein ähnlich geschlossenes Bild ab, mittels Schalparade wurde dieses noch mehrmals unterstrichen. Brauche ich nicht groß umher schreiben, war gut und hat Spaß gemacht.
Zum Spiel als solches will ich gar keine weiteren Worte verlieren. Auch weil ich die Regeln nicht verstehe, den Sport langweilig finde und der Meinung bin, dass der Event-Charakter, sogar dem vom Fußball um Lichtjahre voraus ist. Letzteres bestätigte der vollkommen übertriebene Einlauf der Spieler, die allgemeine Atmosphäre im Umlauf bei den Fressbuden, der Kneipe(!) oder dem allgemein sehr geleckten Publikum (die Fanblöcke hierbei teilweise ausgeklammert). Wie dem auch sei: Rytas gewann für die Sportart (wohl) relativ eindeutig und wir machten uns schnellen Schrittes auf den Weg zum Auto und nach Vilnius.




Fix den Schlüssel beim Vermieter in den Briefkasten geworfen, den Bus in die Stadt via Sprint erwischt, saßen wir bald in der erstbesten Kneipe in der Nähe vom Bahnhof. Hui… um es vorsichtig auszudrücken, ein Plenum zur Flüchtlingshilfe wird dort wohl eher nicht stattfinden. Fahnen, Kriegsrelikte, Bilder und Aufkleber stellten Rassismus offen zur Schau. Neben Getränken gab es an der Bar passende Shirts zur Deko an den Wänden. Trotz aller Überredungskünste – in Form eines bei uns verbotenen Grußes - vom einzigen Kunden entschieden wir uns dann für den zeitnahen „Rückzug“. Die nächsten zwei Kneipen waren schon eher nach unserem Geschmack, ehe wir wieder in der Innenstadt landeten und fertig ins Bett fielen.
Die letzten Stunden vor unserem Abflug erkundeten wir die Hauptstadt. Liefen die Innenstadt ab und konnten so noch einige Sehenswürdigkeiten abklappern. Dazu gehörte in Vilnius auch der Stadtteil Užupis. Der sich im Zuge einer Kunstaktion als Republik Užupis auch über die hiesigen Grenzen hinaus einen Namen gemacht hatte. Ihre Verfassung besteht aus 41 Punkten (u.a. „Jeder Mensch hat das Recht, zu faulenzen oder nichts zu tun.“, „Ein Hund hat das Recht, Hund zu sein“, „Kein Mensch hat das Recht, Gewalt auszuüben.“ – aus diesem Grunde wurde die zwölfköpfige Armee aufgelöst), mittlerweile wird die Republik sogar von ausländischen Staatsvertretern besucht. Bei abermals miesem Regenwetter hielt sich der Spaß heute in Grenzen und wir schlugen schon eher als angedacht den Weg zum Flughafen ein, ehe sich in Berlin die Wege trennten.