Montag, 22. November 2021

Iran im Herbst 2018

Spiele: Zob Ahan Esfahan - Padideh Khorasan, Altherrenspiel in Fereydunkenar 

Puh... über drei Jahre sind seit dieser sehr gelungenen Reise schon wieder ins Land gegangen. Schade, denn so sind die Erinnerungen doch schon etwas verblast. Dabei gab es in den paar Tagen gleich eine ganze Fülle an Eindrücken. Immerhin der vorsorglich abgespeicherte Chatverlauf mit meiner Frau, lässt mich gut durch die Tage hangeln – zumindest abseits der zwei besuchten Spiele. Also blicken wir ohne lange Ausschweifungen zurück. 
Die Anreise über Kiew in die iranische Hauptstadt verlief problemlos. Jeder unserer dreiköpfigen Reisegruppe konnte eine Sitzreihe im Flieger seine eigene nennen, sich ausbreiten und somit etwas Schlaf für den langen Tag tanken. Das Visum hatten wir fix in der Tasche, einzig der unübersichtliche Pulk vor der Passkontrolle stellte uns vor eine schier unüberwindbare Aufgabe. Wir brauchen Schlangen! Nach dem sich die Insassen von mehreren Fliegern vordrängelten und bald kaum noch einer in der Halle war, schafften wir es endlich die Einreise abzuschließen. Die Übernahme des Mietautos war eine schwere Geburt. Durfte die Kaution doch nicht mehr bar hinterlegt werden und es wird eine iranische Prepaid-Kreditkarte benötigt. Kaum hatten wir unser Auto, ließen wir uns noch fix beim schwarzen Tauschen abziehen. Dachten wir erst noch, wir haben das Geschäft unseres Lebens gemacht, wurden wir einen Tag später eines Besseren belehrt: auf den Schwarzmarkt war der Euro fast doppelt so viel wert, wie er offiziell gehandelt wurde. Mit einem ganzen Bündel an Scheinen fuhren wir gegen 3.30 Uhr in Richtung Wüste. 
In der Nähe von Kashan verließen wir die Straße und verlangten unseren fahrbaren Untersatz gleich einiges ab. 40km über viel Sand und immer weniger werdenden Steinen, schlitterten wir durch Glück und teils Übermut von Spurrille zu Spurrille. Andere hatten weniger Glück. So ergab sich in der Morgendämmerung bald die Gelegenheit, sich den Einheimischen als Freund vorzustellen und zusammen das steckengebliebene Auto zu befreien. Ob es nun am liegenbleibenden Auto oder dem Pulk am Flughafen lag, auf jeden Fall verpassten wir den Sonnenaufgang (kurz vor 7 Uhr) in der Maranjab Wüste um wenige Minuten. War gar nicht weiter wild, die endlosen Sanddünen waren auch so ein geniales erstes Bild vom Land. Die nächsten Stunden verbrachten wir – natürlich ohne eine Wasserflasche – dort. Besuchten eine alte Burg, schmissen uns von den Dünen, tranken die Brunnen leer, bretterten durch die Salzwüste und reihten uns hinter riesigen Kamelherden ein. Auf dem Weg nach Abyaneh stärkten wir uns in einem kleinen Dorf und kamen das erste Mal mit dem einheimischen Essen in Kontakt. Geil! Klar, dass Essen auf einem Teppich und im Schneidersitz war ungewöhnlich, störte aber nicht wirklich. Abyaneh - eine kleine Stadt in den Bergen, welches fast komplett aus Lehm und Stroh bestand. Schön, anders und von jeder Ecke eine wahnsinnige Aussicht. Gegen 21 Uhr erreichten wir unser Nachtlager in Isfahan und konnten somit den feierabendlichen Wahnsinn auf den Straßen und später auf den großen Plätzen miterleben. Nach 40h auf Achse, fielen in der Luxusunterkunft trotz aller Eindrücke schnell die Augen zu. 
Am heutigen Donnerstag hatte die arbeitende Bevölkerung frei und die Stadt erwachte nur langsam. Unser erster Weg führte uns zu einem der Aushängeschilder der Stadt, der Sovi-Se-Pol-Brücke. Vom Zayandeh war nichts zusehen, das Flussbett war komplett ausgetrocknet. Wie wir erfuhren, war dies selbst zur letzten Schneeschmelze der Fall.Kein Wunder also, dass ein Vater seinem Sprössling ein Tretboot erklärten musste. Über den botanischen Garten – keine Ahnung, was uns da geritten hatte – liefen wir zum Naqsch-e-Dschahan-Platz. Mit 9ha gehört er zu den größten Plätzen der Erde. Neben viel Klimbim gab es – für uns - das erste und letzte Mal andere Touristen zu sehen. Der Platz kann was und so verstrich die Zeit wie im Flugzeug. Überall gab es was zu sehen, zu erkunden oder einfach zu beobachten. Die ganze Stadt schien hier zu sein: Fotoshooting, Treffen, Tratsch, es wurde gehandelt, Tee getrunken, flaniert, geflirtet und und und. Zum Mittag wurde die Hitze schnell unerträglich und die Straßen wurden zunehmend leerer... dieses Schauspiel konnten wir Tag für Tag (an normalen Wochentagen verstärkt) beobachten. Das Leben fand bis zum Mittag und ab der Dämmerung draußen statt. Überall wurde gepicknickt, auf einen der vielen Wiesen gemeinsam geplauscht oder in großen Gruppen die Bank eingenommen. Dazwischen wirkten die Plätze, Grünanlagen und selbst die Straßen oft wie leergefegt. Wir hingegen waren richtig harte Hunde und wollten auf den Berg „Soffih“! Sinnloses Unterfangen bei weit über 30 Grad. Wir gaben uns noch am Fuße, im Park bei den im Schatten Picknickenden Familien, geschlagen. Für einige kleine Felsen im Süden der Stadt hatten wir jedoch genug Kraft und an einem dieser konnten wir wenigsten etwas Abenteuerluft schnuppern. 

Zob Ahan Esfahan - Padideh Khorasan 
01.09., Persian Gulf Pro League, Venue Folād Shahr Stadium 

Fußball im Iran... mh... hier nun werden meiner Erinnerungen nun wirklich blass. Es gab Falafel vorm Stadion. War sehr lecker. Die Cops wussten mit uns nichts anzufangen und wollten dem Raucher im Bunde die Fluppen abziehen. Nicht mit ihm! 
Und sonst? Nettes kleines Stadion mit tollem Bergpanorama, zumindest solange es hell war. Viel los war nicht. Am Ende vielleicht 1.200 Zuschauer. 30 von ihnen gaben in unregelmäßigen Abständen einen Gesang von sich. Bilder wie beim Teheran-Derby bekamen wir entsprechend nicht zusehen. Erwarteten wir auch nicht. Neben den beiden großen Clubs aus der Hauptstadt verfügten zwar noch einige weitere Vereine über eine Fanszene aber entweder waren diese im internationalen Geschäft zugange oder hätten unsere Pläne komplett gesprengt. Uns war es am Ende (fast) egal, schließlich waren wir uns schnell einig, dass Fußball in der Woche maximal eine untergeordnete Rolle spielte. So waren wir nach (harten) 90min dennoch alle zufrieden und feierten mit den Gästen das Ergebnis – 1:2.


Am Abend führte uns der Weg noch einmal zur bekannten Brücke. Im Gegensatz zum Vormittag hatte sich das Bild reichlich geändert. Himmel und Menschen! Auf den umliegenden Wiesen reihten sich die Decken aneinander und auf der Straße wurden zu lauten Beats kleine Säfte verteilt. Es herrschte Volksfeststimmung – nur ohne Bier! 
Der dritte Tag im Iran fand zum größten Teil im Auto statt. 700km spulten wir ab, davon 500 durch die Wüste. Einzige Abwechslung gab es am frühen Morgen als wir zwei kleine und altertümliche Ortschaften besuchten. Während die erste noch einigen Menschen und ihren Tieren als Heimat diente, waren die alten Behausungen in Naein schon fast komplett zerfallen. Die Meter durch die Wüste zogen sich anschließend wie erwartet. Zwar gab es in regelmäßigen Abständen schöne Gebirgszüge, jedoch auch Phasen, wo - soweit das Auge reichte - einfach nichts zu sehen war. Damghan war die erste Stadt nach der Wüste und unser auserkorenes Nachtlager (Unterkünfte waren meistens ohne Probleme zu finden). Den dortigen ausgetrockneten Salzsee fanden wir nicht, wohl aber nördlich der Stadt einen, der sogar noch Wasser führte und in der Stadt Pistazien zum Spottpreis. 
Aufgrund unserer guten Ausgangslage konnten wir heute gar bis 6.30 Uhr pennen. Zwar waren zum ersten Ziel 1,5h zurückzulegen aber die Fahrt durch das Gebirge wollten wir, aufgrund der zu erwartenden Bilder, nicht im Dunkeln zurücklegen. Über die Badab-e-Surt-Terrassen sucht sich das eisenhaltige Wasser den Weg vom Berg ins Tal. Der kurze Fußweg hinauf war schön aber anstrengend, ein kaputter Zaun ließ uns ein paar Meter sparen. Wieder auf der Straße, änderten die Berge bald ihr Aussehen von karg und vertrocknet zu tiefgrün und bewaldet. Einen der wasserspendenden Flüsse wählten wir bald für eine Abkühlung aus und konnten die Stadt Sari frisch und sauber einen kurzen Besuch abstatten. Die dortige Innenstadt war ein schönes Durcheinander aus Markt, Geschäften und dem täglichen Chaos auf den Bürgersteigen sowie Straßen. Im Gegensatz zu den letzten Tagen, schien es hier – wie auch entlang des Kaspischen Meeres – mit der Kleidung nicht ganz so eng genommen zu werden. Kurze Hosen häuften sich bei den Herren, das Kopftuch baumelte meistens um den Hals der Damen und dunkle Umhänge waren kaum auszumachen.
Am Meer bestimmten bald große Geschäfte und Hotels das Bild, dicke Autos säumten die Straßen. Alles Dinge, die wir bisher nur sehr selten sahen. Auf den weiteren Weg nach Tschalus und somit unserem Nachtquartier, zogen wir beim Baden im Meer alle Blicke auf uns und stolperten später nicht nur in zwei Bazars... nein, durch Zufall konnten wir gar noch ein Spiel der 

Altenherren in Fereydunkenar
01.09., Altenherren, Karim Azadi Stadium 

mitnehmen. Unverhofft kommt oft! Dass die Akteure noch mit der Aufwärmung beschäftigt waren und von einem Gegner noch keine Spur war, störte uns nicht. Wird schon noch. Mit einigen Nüssen, Gurken und sonstigem Klimbim statteten wir uns für das folgende Spiel aus. Siehe da, die Gegner waren inzwischen eingetroffen. 
Das Spiel war gar nicht schlecht. So verwunderte es uns wenig, dass neben uns noch ein paar weitere Zuschauer das Spiel verfolgten. Natürlich ausschließlich Männer. Die interessierten Mädels und Frauen verzog es hinter oder unter die Tribüne, von wo sie einige Blicke auf das Spielfeld erhaschen konnten. Also doch nicht so locker hier... über Sinn oder Unsinn solcher Regeln und Gesetze will ich mich als Wohlfühl-Europäer gar nicht äußern. Fehlt mir dazu doch der Bezug zur Religion als auch der Einblick in die Kultur des Landes. In Erinnerung bleibt uns definitiv eine angenehme Halbzeit auf einer coolen Tribüne. 


Die S59 war das heutige Ziel. Immerhin soll es sich um eine der schönsten Straßen der Welt handeln, was natürlich nicht an ihrer einzigartigen Asphaltdecke sondern der Landschaft liegen sollte. Kurven führten uns durch Bergmassive, die ich bisher nur aus dem Fernseher kannte... die Anblicke, einfach gigantisch. Kein Bild der Welt kann wohl dieses Schauspiel von Bergen, Wasser und Pflanzen (Nordseite grün, Südseite Steppe) nur annähernd wiedergeben, wie es dort aussah. Wir drückten uns die Nase am Fenster platt und legten immer wieder Pausen ein. Abseits der Straße besuchten wir einen Bergsee (Camping- und Mülloase der Einheimischen) und steuerten einen Wasserfall an. Den Wasserfall erreichte am Ende nur ich, die anderen gaben sich leider etwas zu früh der Sonne geschlagen, während mich keine 30min später das Wasser wieder runterkühlte.
Zurück in der Zivilisation, war ich froh, heute nicht am Steuer zu sitzen: Durchquerung Teherans am Tag. Jetzt verstand ich die Sorgen meiner Bekannten und Kollegen („Iran? Bist du verrückt, das ist doch gefährlich!“). Sie alle sorgten sich nur um mich wegen des dortigen Verkehrs! Der darf nämlich ohne Frage als abenteuerlich oder auch gefährlich beschrieben werden. 100 km weiter Richtung Osten wartet im Elburs-Gebirge die Tangeh Sāvāschi auf uns. Dabei handelt es sich um eine Pilger- und Ausflugsstätte. Uns drei ostdeutsche Atheisten interessierte selbstredend weniger die Geschichte als vielmehr das natürliche Phänomen, was die Schlucht eben mit sich brachte (spulen wir ein paar Tage vor, kommt noch eine dicke Erkältung dazu). Die angebotenen Latschen aus Plastik lehnten wir ab und warteten Minuten später mit unseren Turnschuhen durch das kalte Wasser. Auf der anderen Seite gab es, außer massig Hunden, wenig zu sehen und wir schritten durch die kalten Fluten zurück. Wieder im Auto, prüften wir erstmals die Funktion der Heizung im Auto, die glücklicherweise keinen Grund für Beanstandungen gab. Am Abend folgte zu Abwechslung kein Essen aus fremden Händen, sondern wir beköstigen uns selbst und das möglichst „authentisch“ - wie der moderne Blogger sagt. Zur Ausstattung nutzten wir die Unachtsamkeit unseres Hotels aus und liehen uns Öl, Pfanne und ganz wichtig ein Küchentuch aus. Keine 30 Minuten später machten wir im Straßengraben ein Feuer und warfen Falafel in die Pfanne. 
Nach den langen und teils anstrengenden Tagen, hörte heute keiner den Wecker. Irgendwann 7.30 Uhr blinzelte ich doch mal auf das Handy: „Jungs wir haben verpennt. Hop Hop!“. Veresk war unser erstes Ziel und schnell erreicht. Hier warteten alte und neue Brücken zwischen den vielen kleinen Bergen und ziehen Bahnliebhaber oder eben uns an. Eine Zugfahrt über diese war leider nicht drin aber das wussten wir schon vorher. Highlight des Tages war jedoch ohne Zweifel der Besuch des Lar Nationalparks mit dem höchsten Gipfel des Landes (5.600m). Eine Tour (inkl. Zeltlager) hätte zwei Tage beansprucht. Wir waren fälschlicherweise von mindestens vier ausgegangen und hatten uns daher gegen die Besteigung entschieden – ärgerlich! So schafften wir es nur, mit motorisierter Hilfe, zum ersten Basislager auf 3.250 m. Wurmte uns am Ende alle. Aber vielleicht war es auch ganz gut, schließlich sind 5.000 dann schon was anderes als 3.000 in den Alpen. Die Aussicht ließ es uns schnell vergessen und abwärts war von Demut oder ähnlichen Anfällen nichts mehr zu spüren. 
Am späten Nachmittag erreichten wir Teheran. Bevor wir uns in die Stadt stürzten, hatten wir Probleme eine bezahlbare Bude zu finden. Wobei der dritte Anlauf dann doch schon wieder Früchte trug! Ob mir die Stadt gefiel oder nicht, konnte und kann ich bis heute noch nicht sagen. Auf jeden Fall ist sie verrückt und facettenreich, wie viele Hauptstädte spiegelte sie aber wohl kaum das Land wieder, sondern gab ein ganz anderes Bild ab. Die letzten ein, zwei Stunden dümpelten wir zwischen Busbahnhof, Metro und einem Freizeitpark umher. Letzterer wurde von Unmenge an Familien frequentiert. Auch hier wurde zusammengesessen, Tee getrunken und gegrillt. 
Am nächsten Tag schauten wir uns die ehemalige Botschaft der USA an. Eine kleine Führung gab Einblicke in die Machenschaften der Botschaftsangestellten und den Protesten, die in der Erstürmung des Gebäudes gipfelten. Gegenüber dem Komplex wurden diverse Vergehen der USA gegen die Menschheit aufgelistet. Anschließend fuhren wir zur grünen Lunge der Stadt. In dem Park befindet sich auch das Militärmuseum (mit grenzwertigen Mülleimern) des Iran. Mit dem Taxi ging die Stadtrundfahrt weiter. Das Ziel war der Borsch-e Milad (Fernsehturm), der für wenige Taler einen Blick über die Stadt bis zum angrenzenden Gebirge offeriert. Neben dem alten Palast (zurück in der Innenstadt), lagen die zwei größten Bazare der Stadt. Unsere letzten Ziele auf dem Zettel. Eher durch Zufall verfranzten wir uns noch in den anliegenden Gassen. In einer konsumierten weit über 100 Leute offen Opium. Das Zeug kommt hauptsächlich aus Afghanistan und Pakistan und ist im Iran die billigste Droge. Den Abend verbrachten wir im Studentenviertel bei Tee und aßen den letzten Falafel. Während des Tages waren wir viel mit Metro unterwegs. Dort kamen wir immer wieder mit Leuten in kürze oder längere Gespräche. Aus diesem ging u.a. heraus, dass das aktuelle durchschnitts Einkommen so viel beträgt wie unser Visum kostete (75€). Ein schöner Stimmungskiller zum Schluss.