Mittwoch, 21. August 2019

Derby in Niederschlesien

Spiele: TS Przylep - Dąb Przybyszów, Miedź Legnica - Chrobry Głogów

Unsere ereignisarme Anfahrt nach Zielona Góra wurde kurz vor Frankfurt unterbrochen. Ein gestikulierender Mann machte auf dem Standstreifen auf sich aufmerksam. Anstatt wie die anderen Autos vorbei zu rasen, warf ich den Anker und hielt an. Sein Sprit war alle. Also zumindest der vom Auto. Fix die nächste Tanke lokalisiert und unseren Freund mit dem frisch gezapften (teuren) Benzin wieder ausgesetzt. „Thank you, you save my life.“ - „immer wieder gerne, aber nimm mal einen Kaugummi zu dir, deine Fahne kommt bei der deutschen Polizei nicht so gut an“. Ein paar Kilometer weiter übersahen sich zwei 40-Tonner auf einer übersichtlichen Kreuzung und blockierten diese nun für die nächsten Stunden. Auch hier muss wohl mindestens einmal Alkohol im Spiel gewesen sein. Anders kann so ein Unfall von zwei Riesen nicht zustande kommen. Wir hatten Glück und unsere Abbiegespur war als einzige nicht betroffen. So fuhren wir weiter über die Dörfer zum ersten Spiel und erreichten mit minimaler Verspätung:

TS Przylep - Dąb Przybyszów 
10.08., IV Liga grupa: Lubuska, Stadion Przylep

Die Saisoneröffnung lockte, bei freiem Eintritt, rund 150 Sportfreunde an. Genug Platz bot eine drei reihige Tribüne mit grün-gelben Sitzen. Modernes Metallteil. Etwas rustikaler waren die rund 20 zusätzlichen Sitzschalen. Stark verblichen waren sie auf zwei alte Betonträger geschraubt. Der Sportplatz grenzte an je einer Seite an einem Friedhof, der Schnellstraße, dem Wald und an Einfamilienhäusern und war mit reichlich Kameras ausgestattet. Wen die jetzt abschrecken oder aufnehmen sollten, blieb uns verbogen, denn von irgendwelchen Unruhe stiftenden Fans war nichts zu sehen und mir auch nicht bekannt. Vielleicht ist es auch eine Vorschrift vom Verband, wer weiß. Da eben dieses Klientel an Fußballfans nicht vorhanden war, blieb genug Zeit darüber und andere Sachen nach zu denken und zu quatschen. Nur wenige Kilometer weiter hat z.B. der Verein Falubaz, der vor allem für sein erfolgreiches Speedway-Team bekannt ist und dort eine der größten Szenen hat, seine Fußballsparte ausgegliedert. Das Team spielt nach vier Spielzeiten nun wieder unter seinen traditionellen Namen Lechia Zielona Gora. Im Gegensatz zu Lechia wurde Falubaz bei knapp einer handvoll Spielen durch die schlagkräftigen Fans vom Speedway unterstützt. Ausschlaggebend dafür war dann überraschenderweise nicht die sportliche Leistung auf dem Rasen, sondern der Gegner auf den Rängen (Stilon Gorzów, Promień Żary (Freundschaft zu Legnica, die wiederum Feinde ihrer (Ex-)Freunden aus Lubin)). Mit dem Wiederaufstieg von Falubaz in die viert höchste Spielklasse hätte es nun eine ganze Reihe weiterer interessante Spiele gegeben (ROW Rybnik, Polonia Bytom und Ruch Chorzów), die jetzt deutlich (im Stadion) an Brisanz verlieren. Das Thema tangierte uns später nochmal. Wie an meiner Ausschweifung zu merken ist, war nichts los. Das Spiel war jetzt nicht besonders langweilig aber fesseln tat es uns auch nicht. 0-0 hieß es nach 90 Minuten und während die Gastgeber mit dem Punkt ganz gut leben konnten, dürfte sich, nach der einseitigen ersten Halbzeit, das Ergebnis für die Gäste angefühlt haben, wie eine Niederlage.


Ohne Stress und mit allerlei Zeit verließen wir bald die recht neue zweispurige Schnellstraße und fuhren wieder über die kleinen Dörfer Richtung Süden. Das Hinterland bekommt, allen Anschein nach, nicht besonders viel Geld ab. Abgesehen von einem großen Werbegebiet, dürften die letzten Investitionen dort schon einige Zeit zurückliegen. Wenn ich an die Innenstädten aus Poznań , Warszawa, Kraków usw. denke, ist eine starke Kluft nicht von der Hand zu weisen. Das ist kein polnischen Problem, jedoch dort in den letzten Jahren gut zu verfolgen gewesen. Legnica bildete dabei keine Ausnahme. Passend dazu fing es an zu regnen und wir verzogen uns in ein Restaurant, schlugen uns den Magen voll und vergammelten unsere Zeit.

Miedź Legnica - Chrobry Głogów
10.08., I Liga, Stadion im. Orła Białego

Die Innenstadt war - für Polen untypisch - fast menschenleer. Nur einige Fans von Miedź Legnica huschten vereinzelt durch die Straßen. Ein Wasserwerfer deutete zudem auf ein brisantes Fußballspiel hin. Dieses Bild verfestigte sich dann auf dem Weg zum Stadion. Je näher wir diesen kamen, umso mehr Grüppchen lungerten herum oder durchkämmten die Gegend. Interessant dabei das recht junge Durchschnittsalter. Ältere Kanten waren kaum auszumachen, dies änderte sich jedoch später im Stadion. Am Zaun werkelten schon für die optische Unterstützung zuständigen Ultras umher. Sie verlängerten via PVC-Stangen den Zaun und machten ein großes Spruchband auf der gesamten Länge des Zaunes fest. Währenddessen schallte tatsächlich gute Musik aus den Stadionboxen. Rock, Punk und gar Rap von Eminem sorgten nicht nur für Abwechslung, sondern auch gleich für etwas Ansporn und Feuer. Gut so. Ein paar Minuten vor dem Spiel kündigten die Cops die Ankunft der Gäste an. Helme reihten sich auf, der Wasserwerfer nahm seine Position ein und kurze Zeit später fuhren drei Busse, mit 253 Gäste (darunter 30x Stilon mit Fahne (trotz zeitgleichem Spiel) und 26x Unia Leszno) vor. Mit der Zahl zeigten sich die Fans aus Głogów im Nachgang nicht zufrieden und auch ich hatte ganz nebenbei schon mit einer Zahl um die 400 gerechnet. Qualitativ legten sie dafür ganz gut los und konnten im ersten Durchgang den mehr als doppelt so großen Heimblock immer wieder Parole bieten. Neben einfachem und wenig abwechslungsreichen Liedgut durften gegenseitige Beleidigungen natürlich nicht fehlen. Highlight war sicher als sich der ganze Mob seiner Shirts entledigte - sieht einfach immer wieder geil aus! Der zweite Durchgang begann ebenfalls gut, kam jedoch aufgrund der Choreo-Vorbereitungen bald total zum Erliegen. Es bleibt mir ein Rätsel, wie sich die verschiedenen Szenen damit immer wieder den Support kaputt machen. Heute waren es locker 30-35 Minuten, ehe das Spruchband auf dem Zaun zurecht gelegt, die Blockfahne ausgebreitet und die Pyromanen umgezogen waren. Es ploppte gerade sieben oder acht Mal, das erste Lied wurde wieder aufgenommen - da lochten die Gastgeber im Tor vor dem Block ein und drehten das Spiel (2-1) in der 86. Minute zu ihren Gunsten. Bitter! Es folgten noch einige orangen Rauchdosen, die leider nicht gut zur Geltung kamen und damit ein unbefriedigendes Bild abgaben. Die zweite Halbzeit war also eher so lala aus meiner bescheidenen Sicht. Der Heimblock (Trubuny C) zeigte sich hingegen fast dauerhaft von seiner guten Seite. Rund 600 (insgesamt 4.447 Zuschauer) dürften es gewesen sein, die ihre Mannen auf dem Platz unterstützten. Einklatschen und Schlachtrufe waren natürlich bei ihnen ebenfalls hoch im Kurs. Jedoch nicht nur und einige Gesänge mischten sich unter. War jetzt nicht Italien oder Bosnien, aber halt auch nicht ganz so eintönig, wie viele Kurven des Landes. Unterstützung erhielten sie von unzähligen Śląska Wrocław-Anhängern. Beeindruckend war dabei der Einlauf von rund 30 Modulen in einheitlichen schwarzen Shirts im Laufe der ersten Halbzeit. Optisch hatte der Block, wie angedeutet ebenfalls etwas vorbereitet. Es wurde das Thema Falubaz aufgegriffen. Wieso? Weil eine Aktion zu der Thematik schon beim Heimspiel zuvor gegen Odra Opole geplant, doch kurzfristig verworfen wurde. Also kurz zwei Wochen zurück gespult: Opole war zu Gast in Legnica und mit ihnen die Freunde aus Lubin samt Falubaz (die beide ganz nebenbei die Hälfte der Gäste stellten). Gerüchte über eine schwächelnde Freundschaft/Bindung - nach 5 1/2 Jahren - zwischen Falubaz und Lubin lagen wohl schon in der Luft. Legnica vermutete die offiziellen Auflösung während des Spiels in ihrem Wohnzimmer und war dementsprechend vorbereitet, jedoch kam es anders und die Kontakte wurden erst mit dem 30.07. für beendet erklärt. Trotz Abspaltung der Fußballabteilung und Beendigung der Freundschaft zu Lubin, bleibt die Fanszene von Falubaz dem Fußball zumindest ein wenig erhalten, durch die Freundschaft zu Floty Świnoujście. So viel dazu. Mittels Spruchband (inkl. durchgestrichener Micky Mouse) und vor allem viel schwarzem Rauch wurde die Sache nochmal aufgewärmt. Interessant dabei, dass diesmal keine Blockfahne zum Vermummen genutzt wurde, sondern einfach 40-50 Leute zusammen in die Katakomben/Toiletten gingen und sich dort ein Teil umzog. Selbiges Spiel wiederholte sich anschließend - logisch.