Montag, 5. Juli 2021

Pokalfinale der Woiwodschaft Kujawsko-Pomorski

Spiele: Pomorzanin Serock - Start Pruszcz, GKS Sompolno - SKP Słupca, Włocłavia Włocławek - Elana Toruń 

Die Pläne für eine Anfahrt nach Słupsk, zum dortigen Spiel Gryf Słupsk - Kaszubia Kościerzyna, wurden am Freitagmorgen über Bord geworfen. Zwar hörte sich die Paarung interessant an (Gryf mit Lechia im Bunde, die Gäste hingegen FC von Arka und reale Chancen aufzusteigen) aber die Heimfanhänger sorgten mit einem Protest beim letzten Heimspiel bei mir für Unsicherheit. Mit dem Pokalfinale der Woiwodschaft Kujawien-Pommern war eine Alternative schnell gefunden. Zudem ließen mich die zwei Spiele vorm Finale – im Gegensatz zum ersten Plan – wenigstens auf ein paar aktive Fans hoffen. Die Abfahrt musste dafür zwar eine Zeigerumdrehung nach vorne verlegt werden, damit hatten wir aber kein Problem. Um sechs Uhr rollten wir wieder in Richtung Polen und erreichten 15 Minuten vorm Anpfiff das erste Spiel: 

Pomorzanin Serock - Start Pruszcz 
26.06., Baraże IV liga kujawsko-pomorska, Stadion Wiejski w Serocku 

Ganz schön was los auf den Feldwegen um den besseren Sportplatz. Kreuz und quer parkten die Autos und zeugten von einem regen Interesse am Relegationshinspiel (fünfthöchste Spielklasse) und Derby – immerhin trennten beide Dörfer nur 10km. Kaum hatten wir das Auto verlassen, trudelten die Gäste ein, auf welche die Schmier schon sehnsüchtig wartete. Mal kurz zur Relation: wir sprechen von maximal jungen 15 Menschen, die – neben 50 Familienangehörigen – so etwas wie den Gästeblock bildeten. Dem gegenüber standen zwei Hunde, zwei zivile Köter (filmten über 90 Minuten mit Handy) und ein Dutzend Cops in direkter Nähe. 
Das Spiel auf den vertrockneten Rasen war ziemliches Stückwerk. Konnten mich die ersten 20 Minuten wirklich begeistern, sank das Niveau für die nächsten 60 Minuten drastisch, ehe die letzten 10 Minuten wieder unterhaltsam waren. Der Spielverlauf war ähnlich abwechslungsreich (0-1, 2-1) an dessen Ende sich beide Mannschaften 2-2 trennten. Auf den drei Sitzreihen der Geraden meldeten sich die Gäste, hinter einer Zaunfahne, des Öfteren zu Wort. Ich behaupte mal, dass sie nur selten ihrer Mannschaft folgen und dann auch noch gesanglich unterstützen. Selbst die Klassiker hörten sich sehr gequält und wenig rhythmisch an. Vielleicht ändert sich der Umstand, wenn sie am Ende aufsteigen und auf andere Gegner treffen. Wir freuten uns auf alle Fälle über den späten Ausgleich der Gäste. Für Pomorzanin Serock machte hingegen keiner den Mund auf, selbst der Torjubel von den rund 300 Zuschauern fiel sehr viel verhaltener als bei den Gästen aus. 

Kleiner Haufen von Start Pruszcz

Stadion Wiejski w Serocku

Zufrieden steuerten wir das nächste Spiel an. Dafür musste nochmal knapp 2h im Auto abgespult werden. Die Zeit auf der Straße verlängerte sich unnötig. Erst sorgte eine gesperrte Straße für ein schwindendes Zeitpolster, dann mussten wir noch eine weitere Umleitung, über eine Schotterpiste, durch Bergungsarbeiten in Kauf nehmen. Um die Anfahrt perfekt abzuschließen, manövrierte uns das Navi (uns selbst traf natürlich keine Schuld) noch zum falschen Sportplatz. Mit schlussendlich 10 Minuten Verspätung erreichten wir 

GKS Sompolno - SKP Słupca 
26.06., V liga wielkopolska, Stadion Miejski w Sompolnie 

Außer uns fanden sich maximal 60 weitere Zuschauer ein. Klingt nach Kreisliga aber im Gegensatz zum dortigen Dorfpöbel standen hier 25 Menschen hinter einer Zaunfahne und sorgten in unregelmäßigen Abständen für etwas Atmosphäre. Gar eine Trommel hatten die Jungs und Mädels aufgebaut. Anders als bei den Anhängern von Start Pruszcz beim ersten Spiel, war der Haufen deutlich routinierter und eingespielter. Der Fanclub von Górnik Konin besucht zumindest die Heimspiele von GKS Sompolno regelmäßig. Beim Derby gegen Błękitni Mąkolno zählt der Block dann schnell über 100 Köpfe. Heute war kein Derby. Es fand sich dennoch eine bunte Mischung aus dem knapp 4.000 Seelendorf ein: neben drei, vier Ochsen auch ein paar Kids, jugendliche Säufer und Nachwuchssportler.
Das Spiel hatte nur noch begrenzte Relevanz. Für Sompolno konnte es am letzten Spieltag weder weit nach oben noch nach unten gehen. Den Gästen hingegen reichte ein Punkt, um die Saison als Erstplatzierter zu beenden. Danach sah es jedoch erstmal nicht aus. Bei der rabiat geführten Partie (inkl. gelb für den Coach der Gäste) waren es die Gastgeber, die das Spiel bestimmten und dem Favoriten mit zwei Toren ärgerten. Am Ende hieß es jedoch 2-4 und SKP Słupca steigt, nach nun 15 Siegen in Folge, auf. Da befanden wir uns jedoch schon auf der Landstraße zum Pokalfinale. 

Heimblock von GKS Sompolno

Włocłavia Włocławek - Elana Toruń 
26.06., Puchar Polski grupa Kujawsko-Pomorski, Stadion OSiR w Włocławekie 

Włocławek begrüßte uns mit einem utopisch langen Graffiti (Włocłavia & ŁKS) an den Garagen vor den ersten Platten, womit wir vermutlich schon das relevanteste in der Stadt abgehandelt hatten. Das soll jetzt gar nicht vermessen oder herablassend klingen aber eine Perle war und wird die Stadt an der Weichsel wahrlich nicht. Zerstörung im Krieg und anschließende Industrialisierung hinterließen ihre Spuren. Heute leben 110.000 Menschen in Włocławek und eine steuerfreie Wirtschaftszone soll internationale Investoren anlocken. Mit Erfolg. Seit der Einführung 2012 hat sich die Arbeitslosenquote auf etwas über 10% in acht Jahren halbiert. 
Wir fuhren auf direkten Weg zum Stadion, wo uns die Kinnlade sogleich auf den Schoß fiel. Das Knistern in der Luft, die Motivation bei den Gastgebern und ihren Freunden sowie die Anspannung bei den Cops waren geradezu zum Greifen. Auf Grund der Gegebenheiten mussten wir vor als auch später im Stadion in direkter Nähe zu den sporlichen Jungs Platz nehmen und konnten uns einmal mehr davon überzeugen, dass ein Hool-Mob aus Polen einfach nichts mit denen hierzulande, auf dem Balkan oder sonst wo zu vergleichen ist. Diese Ausstrahlung und Gelassenheit, das ruhige und respektable Miteinander und nicht zuletzt natürlich das sportliche Auftreten, was kein Gym dieser Welt vermitteln kann. Vor den Stadiontoren warteten also über 200 Leute, vornehmlich sehr sportliche Herren in allen Altersklassen, auf Einlass. Dabei handelte es sich neben den Gastgebern um Hooligans von ŁKS Łódź, Zawisza Bydgoszcz, Górnik Konin und Lech Poznań – der Großteil in einheitlichen Schlapphüten (wurden mit den Tickets verkauft). Eine Masse an potenziellen Gewalttätern, die hier nur in Ausnahmen anzutreffen war. Gegner in der IV. Liga (fünfte Spielkalsse) waren und bleiben spärlich. Einzig Legia Chełmża und Sparta Brodnica (beide aus dem Hause Legia Warszawa) bieten seit Jahren etwas Abwechslung in der sonst so tristen Liga. Das Spiel heute gegen Elana war entsprechend von einer anderen Sorte. Dazu reichte ein Blick auf das Sammelsurium im Gästeblock (insgesamt 300): ein gutes Drittel stellten die Freunde von Ruch Chorzów, Wisła Kraków, Widzew Łódź und KKS Kalisz. 
Als der Gästeblock seine volle Stärke erreicht hatte und die erste Abneigung der anderen Seite kundtat, formte sich der Heimblock aus diversen Gruppen zu einem etwa gleich großen Pulk und tat es ihnen gleich. In den nächsten Minuten, bis weit ins Spiel hinein, wurden die verschiedenen Freunde besungen und der jeweilige Rivale beleidigt. Schönes Schauspiel! Während der Heimblock anschließend seiner Linie treu blieb und nur wenig Gesänge für seinen Verein herausschrie, schafften es die Gäste mit fortlaufendem Spiel die Unterstützung in Richtung Mannschaft zu lenken. Überhaupt waren es die Gäste, die gesanglich eine ansprechende Leistung im ersten Durchgang ablegten. Laut, na klar. Aber auch das Liedgut hob sich etwas vom (polnischen) Einheitsbrei ab. Auch dürfte nahezu der komplette Block am rudern gewesen sein, was gerade in Anbetracht der vielen Freunde keine Selbstverständlichkeit war. Beim Blick auf Włocłavia Włocławek und deren Freunde sah es hingegen gewohnt aus. Sprich, du hattest den Heimmob (und Zawisza) und um diesen herum die Freunde, die nicht wegen der akustischen Unterstützung angereist waren. Dieses Phänomen (Freunde besuchen und abseitsstehen) scheint in meiner Welt unerklärlich! Ein richtig oder falsch Maße ich mir an dieser Stelle selbstredend nicht an, Freundschaften lebt ein jeder unterschiedlich aus – nicht nur beim Fußball. Dennoch finde ich es komisch, gerade weil in Polen die Hools im Block aktiv sind und nicht wie in Deutschland in ihrer eigenen Blase leben/stehen. 
Nahm die akustische Unterstützung im zweiten Durchgang spürbar ab, war diese dennoch nicht weniger interessant. Im Heimblock begannen bald die Vorbereitungen an einer Choreo, dafür musste auch die sensationelle „Bydgosch Chuligani“-Fahne Platz machen und wurde zwischenzeitlich durch das Spruchband „75 Jahre – Stolz der Stadt“ ersetzt. Die dazugehörige Blockfahne diente vermutlich mehr als Sichtschutz und sah entsprechend lieblos und unsauber aus. Kaum war die Fahne über den Köpfen und die Konzentration auf den Feind entsprechend gering, übergab der Gästeblock eine ŁKS-Fahne den Feuertod und zog damit prompt wieder alle Blicke auf sich. Der Zeitpunkt hätte wahrscheinlich nicht besser sein können. Die zwei Fackeln wurden anschließend natürlich auf den Platz geschwartet. Eine kurze Spielunterbrechung war die Folge. Die nächste Unterbrechung folgte auf den Fuß. Die Verursacher fanden sich diesmal im Heimblock wieder: Pyro im Zuge der 75-Jahre-Choreo. Zuerst rauchte es in den Farben blau-weiß-rot, ehe auch noch einige Fackeln angerissen wurden. Die rund 200 gemäßigten, unter insgesamt maximal 800 Zuschauern, störten sich daran wenig. Das änderte sich auch nicht, als kurze Zeit später schon wieder der Ball ruhen musste. Der Rauch war noch nicht einmal verzogen, da nutzte ein einzelner Kämpfer die Ablenkung. Er gelang unerkannt vor den Gästeblocks und griff nach der „Ekipa Wyjazdowa“-Fahne – ohne Erfolg. In letzter Sekunde reagierten die Gäste und nahmen die Fahnen ab. Während der hohe Zaun vorm Block nun gehörig ins Wanken geriet, konnte der Angreifer im lockeren Schritt sich wieder auf die Haupttribüne (Fanblock) zurückziehen. Cops waren nicht im Stadion und die Ordner zu langsam, bzw. an keiner weiteren Eskalation interessiert. 
Auf den Traversen war also für Unterhaltung gesorgte, anders als auf dem Rasen. Nach dem überraschenden 1-0 konnte Elana zwar noch ausgleichen und das Spiel gegen – am Ende stehend K.O. - Gastgeber dominieren, für ein weiteres Tor reichte es nicht. Verlängerung. Auch hier keine Tore. Wobei es fast noch dem Underdog gelang, den nun eindeutigen Spielverlauf auf den Kopf zu stellen. Am Ende musste das Elfmeterschießen entscheiden. Dem siebten Schützen von Elana versagten die Nerven… oder halt die Beine und Włocłavia darf sich für ein Jahr Pokalsieger schimpfen. 

Elana Toruń und Freunde

Heimblock von Włocłavia Włocławek

ŁKS Łódź-Fahne bei den Gästen

ŁKS Łódź-Fahne bei den Gästen

Choreo mit Pyro bei Włocłavia Włocławek

Choreo mit Pyro bei Włocłavia Włocławek

Choreo mit Pyro bei Włocłavia Włocławek

Block von Włocłavia Włocławek

Im Stadion waren mit dem Kamikazeangriff alle Messen gesungen, an allen Zugängen zum Spielfeld warteten seitdem dutzende Cops auf ihren Einsatz. Wir entschieden uns für eine fixe Abfahrt, immerhin hatten wir nach dem langen Tag noch 5h ins heimische Bett zurückzulegen. Eine Stunde davon spulte ich noch ab, ehe der Beifahrersitz endlich nach mir rief. Der Heimweg verlief dann angenehm kurzweilig. Die Nachrichten aus Most (Testspiel Chemnitz) sorgten dabei nur für Kopfschütteln und bestärkte uns, mit dem zurückliegenden Programm alles richtig gemacht zu haben.