Montag, 5. Juli 2021

PL: Guter Dreierhopp und müder Ausgalopp

Spiele: KKS 1925 Kalisz – Olimpia Elbląg, Victoria Ostrzeszów - Ostrovia 1909 Ostrów Wielkopolski, Moto Jelcz Oława - Lechia Dzierżoniów, MKS Miedź Legnica - Zagłębie Sosnowiec 

Kurz nach 6 Uhr rollten wir auf der Bahn in Richtung Oder und hielten nach der Überquerung dieser zum Frühstück an. Wenig ausgewogen aber lecker: Tankstellen-Hotdog. Ich schwanke jedes Mal zwischen Senf und Knobi. Heute war letzteres wieder dran. Unser Dreiergespann war sich hingegen bei der Gestaltung des Ausfluges sicher: Fanszenen statt Sportplätze. Die Recherchen auf 90minut.pl ergaben, im Zusammenspiel mit dem Fanszene-Polen-Buch, zumindest für den Samstag ein nettes Programm. Den Start für einen zeitlich ausgereizten Dreierhopp machte die Partie

KKS 1925 Kalisz – Olimpia Elbląg 
12.06., 2. Liga, Stadion OSiR 

Karten gab es trotz Corona-Beschränkung (25% Kapazität) ohne Probleme vor dem Spiel und wir konnten uns einige Minuten vor Anpfiff durch die angereisten Widzew-Hools ins Stadion schlängeln. Neben den Gästen aus Łódź waren (in deutlich kleinerer Anzahl) noch Elana und Kotwica zugegen. Zusammen mit dem Gastgeber kam der Haufen unterm Dach auf 120 Köpfe. Zu unserer Freude durften die Gäste aus Elbląg zum letzten Spieltag der hiesigen Saison auch ins Stadion. Seit der Pandemie ihre erste Auswärtsfahrt! Die Möglichkeit nutzten rund 50 Leute (den Gesängen nach zu urteilen mit Unterstützung aus Sosnowiec und Warszawa). Immerhin konnte das Team bei einem unglücklichen Ausgang des Spieltags noch absteigen. 
Eintönig aber dauerhaft wurde das Spiel mit Schlachtrufen von beiden Seiten begleitet. Wobei mir die Gäste unterm Strich besser gefielen, war dort doch wenigstens etwas Bewegung drin (hüpfen, pogen). Zudem standen sie kompakt, sehe ich von den zehn Ochsen oben im Block ab, die wahrscheinlich einfach nicht durch die Wellenbrecher passten. Der Heimblock hingegen konnte einige Male das Dach (aus) nutzen, erzielte hin und wieder eine gute Lautstärke. Jedoch machte sich bei ihnen bemerkbar, dass es sportlich nur noch um die goldene Ananas ging und ein nicht unerheblicher Anteil (Widzew) im Block andere Interessen an dem Spiel hatte. Etwaige Randale (wie bei dem letzten Aufeinandertreffen zwischen Elana und Olimpia) blieben aus. Im ersten Durchgang flammten im blau-weiß-grünen Fahnenmeer einige Feuer auf und sorgten für das optische Ausrufezeichen bei dem Spiel. Kaum war der Rauch verzogen wurden die Fahnen (u.a. ACAB) wieder eingerollt – werde ich nie verstehen, muss ich aber auch nicht. 
Mit dem Ausgleich zum 1-1 für Olimpia und den Ergebnissen auf den anderen Plätzen war für die Gäste der Klassenerhalt in Sack und Tüten. Der Torjubel auf dem Platz fiel entsprechend aus. Damit verabschiedeten wir uns – ganz ohne schlechtes Gewissen – vorzeitig aus Kalisz und steuerten 

Pyro bei Kalisz

Pyro bei Kalisz

Gäste von Olimpia Elbląg

Heimblock von Kalisz

Victoria Ostrzeszów - Ostrovia 1909 Ostrów Wielkopolski 
12.06., IV liga grupa: wielkopolska, Stadion MOSiR 

an. Zur 20. Minute erreichten wir das kleine Stadion und wurden positiv überrascht: kaum Cops und viele Gäste in einheitlichem weiß. Die Gäste stehen - wie fast alle Vereine der Woiwodschaft Wielkopolska (dt. Großpolen) - zu Lech. Die einzige Ausnahme ist Kalisz, das gallische Dorf. Entsprechend überschaubar ist das Konfliktpotenzial bei Spielen auf der Landesebene. Ob es nun daran lag oder die Cops andere Aufträge hatten weiß ich natürlich nicht. Schließlich fahren sie – ähnlich wie in Deutschland – selbst bei den belanglosesten Kicks groß auf. Die hohe Anzahl an Fans war hingegen der prekäre Tabellensituation geschuldet – die sechsthöchste Spielklasse schien bedrohlich nah. Ein Sieg gegen den direkten Konkurrenten musste her, blieb am Ende jedoch aus (2-1). 
Die aktiven Gäste (ca. 60) standen am äußersten Rand der Tribüne beisammen und hatten überwiegend weiße Shirts an. Gesangliche Unterstützung im Abstiegskampf gab es von ihnen nur sehr sporadisch. Einzig nach dem Treffer ihres Teams und bei der ansehnlicher Pyro (inkl. rot-weißer Fahnen) im zweiten Durchgang wurden die Stimmenbänder länger malträtierte. Hierbei zeigte sich auch, dass von den rund 200 Zuschauern deutlich mehr als die Hälfte den Gästen die Daumen drückten. Kaum war der Rauch der Bengalos verzogen, saßen wir schon wieder im Gefährt zur letzten Partie des Tages. 

Gäste in Ostrzeszów

Stadion MOSiR in Ostrzeszów

Gäste von Ostrovia 1909 Ostrów

Moto Jelcz Oława - Lechia Dzierżoniów 
12.06., IV liga grupa: dolnośląska, Stadion Oławskiego Centrum Kultury Fizycznej 

Beim Durchstöbern der verschiedenen Ansetzungen für dieses Wochenende stolperte ich über diese Ansetzung. Lechia Dzierżoniów, da war doch irgendwas!? Das Lexikon aus dem Hause BFU gab schnell Aufschluss. Mitten im Grenzgebiet zwischen Śląsk und Gornik Wałbrzych fristet Lechia als Fanclub von Ruch Chorzów sein Dasein und ist entsprechend ungern bei den FC´s von Śląsk gesehen. Und genau ein solcher ist Moto Oława. Als ob das noch nicht reicht, ist Oława ganz dicke mit dem Nachbarn von Lechia, nämlich Bielawianka Bielawa. Die Vorzeichen für einen schönen Randalekick waren also durchaus geben. Auch weil Lechia erst vor wenigen Wochen mit einem 50 Haufen auswärts unterwegs war und am Sonnenplatz der Tabelle stand. 
Das Wetter passte sich mit dem Erreichen des Ziels einem Derby an, es wurde dunkel und nass – dreckig. Auf der Zufahrtsstraße leuchteten die Sirenen der Schmier, im immer dichteren Regen, und ließen so gleich die Neugier ins unermessliche steigen. Ein Blick in den Gästeblock erdete uns schnell wieder: leere, nicht einmal Ordner. Ein zweiter Blick, diesmal in den Heimblock, sorgte dennoch für große Augen. Locker 80 Hooligans drängten sich dort unter den schützenden Bäumen vor dem Regen. Wie die Fahnen am Zaun verrieten, eine Mischung aus Oława, Bielawianka Bielawa und mit etwas Verspätung Rokita Brzeg Dolny. Die Fahne der letzteren habe ich bisher nur bei Freunden gesehen, selbst im Netz habe ich den Haufen noch nie aktiv bei einem Spiel ihres Vereins gesehen, dass nur mal so am Rand. Die Bullen fuhren währenddessen noch ein paar Runden um das Stadion, aber es war klar, aus Dzierżoniów würde heute keiner mehr aufschlagen. In Anbetracht eines erwarten Derbys auf den Rängen sicher etwas ernüchternd – so ehrlich bin ich. Auf der anderen Seite war das immer noch ein Spiel der fünfhöchsten Spielklasse und von 120 Zuschauern waren 2/3 im Fanblock! Solche Zahlen sind es doch, die bei mir für große Augen, Ohren und Interesse sorgen. Ein Stadion voller geleckter Klatschpappen kann ich in Deutschland oder auch in vielen anderen Ländern in den ersten Ligen zu genüge sehen. 
Das Spiel begann, der Regen wurde stärker und stärker. In den ersten 15 Minuten hieß es dann vom Baum zum Unterstand und wieder zurück wechseln. Das Spiel war, im Gegensatz zu den anderen beiden Spielen, ganz ansehnlich. Die Motivation der Spieler (Derby, Aufstieg) war spürbar und so endwickelte sich ein munterer Schlagabtausch, bei teils übertriebener Härte. Eben jene Härte war am Ende das Zünglein an der Waage. Denn 1.) ließ der Schiedsrichter neun Minuten nachspielen und 2.) sorgte ein weiteres Foul (98. min) für einen Elfmeter, der das Spiel zugunsten der Gäste entschied. Nach dem Abpfiff sorgte der, bis dahin nur wenige Male akustisch in Erscheinung getretene, Heimanhang für Aufruhe. Ein Wortgefecht mit einem der Lechia-Spieler gipfelte in einem Flaschenwurf und kleinere Rangelein. Konsequenz: bis August muss Oława seine Heimspiele vor leeren Rängen austragen. 

Moto Jelcz Oława und Freunde

Einen Regenschauer später erreichten wir in Wrocław unser Nachtlager – ein Hostel! Hatte ich lange nicht mehr. Sollte aber für ein paar Stunden abmatten reichen. Davor ging es natürlich in die Stadt. Leckeres Essen und viele leckere Biere später, war es die Vernunft, die den Abend doch noch irgendwann beendete. 
Anders als bei meinen zwei Kollegen, die am nächsten Morgen natürlich nicht wie abgesprochen am Auto erschienen. Ein Weckruf und 30 Minuten später kamen die Herrschaften dann auch angewackelt – von der Nacht gezeichnet. Ohne Zögern fuhren wir nun Jawor an. Bei fiesen Landstraßen hatte die Rückbank so ihre Probleme und ich meine Genugtuung. Das anvisierte Spiel der zweiten Mannschaft von MRKS Kuźnia Jawor stellte uns vor unlösbaren Rätseln. Herrschte doch sowohl am kleinen Stadion als auch am Sportplatz, am anderen Ende der Stadt, gähnende Leere. Somit erreichten wir unser letztes Ziel mit viel Vorlauf, den wir auch brauchten. 

MKS Miedź Legnica - Zagłębie Sosnowiec 
13.06., 1. Liga, Stadion im. Orła Białego 

Die ganze Woche versuchte ich Karten für uns via Internet zu kaufen. Klappte nach x-Anläufen jedoch nur für meine eigene. Selbst der polnische Muttersprachler von uns scheiterte immer wieder. Mit der neugewonnen Zeit machten wir uns nun also direkt zum Stadion, anstatt in ein Restaurant. Bekamen aber gleich die Antwort, dass es Tickets nur übers Netz geben würde. Also wieder und wieder versucht – ohne Erfolg. Am Einlass berichteten die Leute über ähnliche Probleme. Der Verein nahm sich der Sache an, es gab wohl Probleme mit verschiedenen Providern. Ich verabschiedete mich derweil ins Stadion, der Rest kam nach. Das Spiel ist keine 10 Tage her und ich erinnere mich trotzdem an fast gar nichts mehr. Es war demnach wohl eine zähe Angelegenheit. Der Gästeblock war dicht. Auf der anderen Seite werden es vielleicht 70 Leute (inkl. Śląsk, mit eindeutiger „immer rechts“-Fahne) gewesen sein, die immer wieder etwas von sich gaben. Am Ende jedoch ähnlich halbherzig, wie der Bericht zum Spiel. Der Kinderblock auf der Geraden quickte im zweiten Durchgang des Öfteren vor sich hin. War auf Dauer sicherlich nervig aber alle Male besser als ein paar Kids im Alter von vielleicht 10(!) Jahren, die permanent rassistisch pöbelten. Daran stören tat sich keiner, nicht einmal die Eltern. Hilfe, dass war dann doch einschneidender und kranker als verschiedene Auswüchse in diversen Fanblöcken Polens (oder sonst wo), wo es erwachsene Menschen (vor- und) auslebten. Bei so viel ausgelebter Intoleranz und Ignoranz fehlen mir bis heute die Worte… bevor ich mich nun um Kopf und Kragen schreibe, höre ich an dieser Stelle auf.

Heimblock von Miedź Legnica